Umweltschutzorganisationen jubeln, Behörden befürchten Zunahme an Einsprüchen.

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Innsbruck – Beim WWF spricht man von einer "Zeitenwende", vor der sich Politik und Verwaltung regelrecht gefürchtet hätten. Grund dafür ist die am Mittwoch verkündete Entscheidung des EuGH, dass anerkannte Umweltorganisationen Parteienstellung bei Wasserrechtsverfahren erhalten müssen. Dieses Urteil werde weitreichende Konsequenzen haben, ist Christoph Walder, Leiter des Naturschutzes beim WWF Österreich, überzeugt.

Denn der EuGH stützt sich bei seiner Entscheidung auf die – 2005 von Österreich sowie der EU ratifizierte – Aarhus-Konvention. Diese sichert unter anderem die Beteiligung der Öffentlichkeit an Umweltverfahren zu. Und genau das hat nun der EuGH bestätigt. Zwar ging es in den beiden Fällen aus Österreich, anlässlich derer man sich mit der Thematik befasst hat, um wasserrechtliche Verfahren. Doch der Spruch beziehe sich auf Umweltverfahren generell, sagt Thomas Alge, Geschäftsführer von Ökobüro, einem Zusammenschluss von 16 Umweltorganisationen. In der Praxis bedeute dies, dass auch in anderen Umweltbereichen wie Naturschutz, Abfall oder der Luftqualität NGOs vor Gericht Parteienstellung erhalten müssten.

Zweifel im Ministerium

Im Landwirtschaftsministerium von Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist man sich dessen nicht so sicher. Es gelte nun, das Urteil gründlich zu analysieren. Eine automatische Parteienstellung von Umweltorganisationen sehe man jedoch daraus nicht ableitbar, heißt es seitens des Ministeriums. Diese Frage müssten nun zuerst nationale Gerichte beantworten.

Alge verweist jedoch darauf, dass der EuGH-Spruch unmittelbar gültig sei. Auch wenn er dem Gesetzgeber dringend dazu rät, das Wasserrechtsgesetz schnellstmöglich abzuändern, um allen Beteiligten Rechtssicherheit zu verschaffen. "Aus Sicht der Projektwerber wäre das wünschenswert, um Klarheit darüber zu erlangen, wer nun im Verfahren Parteienstellung hat", erklärt Alge.

Theoretisch könnten NGOs sogar rückwirkend für alle Verfahren bis 2005 Parteienstellung einfordern. Der WWF wird das in zwei Fällen, beim Kraftwerk Tumpen im Tiroler Ötztal sowie beim Kraftwerksprojekt an der Schwarzen Sulm in der Steiermark, tun. Das Tumpen-Kraftwerk, das seit nunmehr zehn Jahren Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Projektwerber und -gegnern ist, war eines der beiden Verfahren aus Österreich, das vor dem EuGH gelandet ist. Das zweite betrifft die künstliche Beschneiung in einem niederösterreichischen Skigebiet.

Wasserkraft oder Kohlekraftwerke

Im Fall von Tumpen sagt Jakob Wolf, Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Umhausen und Klubchef der Tiroler Volkspartei im Landtag, dass "der Status quo höchst unbefriedigend" sei. Man warte schon seit zehn Jahren auf eine Entscheidung. Daher pocht auch Wolf darauf, rasch Rechtssicherheit zu schaffen. Grundsätzlich rät er NGOs, die Verfahren beeinspruchen: "Sie müssen sich entscheiden. Wer gegen Wasserkraft eintritt, ist für Kohlekraftwerke. Irgendwo muss die Energie herkommen."

Seitens des Vereins Kleinwasserkraft Österreich hofft Geschäftsführer Paul Ablinger, dass es zu keiner prinzipiellen Ablehnung von Kleinkraftwerken komme und NGOs vernünftig mit der verbrieften Parteienstellung umgehen mögen.

Genau das habe man vor, sagt Alge von Ökobüro und verweist auf die Zahlen. Bisher hatten NGOs jährlich in den 25 größten Verfahren, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangten, Parteienstellung. Nur zwei Mal pro Jahr gehe man dort gegen Bescheide gerichtlich vor. NGOs würden ihre Rechte also schon bisher sehr selektiv wahrnehmen. Insgesamt erwarte er sich für alle Beteiligten, dass die Parteienstellung von NGOs im Verfahren dazu führe, die Projekte zu verbessern. (Steffen Arora, 20.12.2017)