Neues Trio an der Spitze des Parlaments: Ex-ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka (re.) ist seit Mittwoch Nationalratspräsident. Doris Bures (Mitte) von der SPÖ bleibt Zweite Präsidentin. Anneliese Kitzmüller (li.) von der FPÖ wurde Dritte Nationalratspräsidentin.

Foto: Standard / Matthias Cremer

SPÖ-Klubchef Christian Kern liest sich noch schnell ins Regierungsprogramm ein, bevor er es zerpflückt: "Eine Reihe von Rückschritten". Mehr Fotos finden Sie in Cremers Photoblog.

Foto: Standard / Matthias Cremer

Karlheinz Kopf nimmt es heiter. "Wenn wir noch ein paar Mal wählen, hab' ich es geschafft", sagt er dem STANDARD. Immerhin 65 Abgeordnete wollten ihn am Mittwoch wieder als Nationalratspräsident installieren. Zur Wahl stand er, wie bereits vor rund sechs Wochen, nicht mehr. Doch schon damals sprachen sich 56 Abgeordnete für Kopf an der Parlamentsspitze aus.

ORF

Der Reihe nach: Der neue Nationalratspräsident heißt seit Mittwochnachmittag Wolfgang Sobotka. Das ÖVP-Urgestein folgt Parteikollegin Elisabeth Köstinger, die nach nur 39 Tagen im Job in ein Ministeramt gewechselt ist: jenes für Nachhaltigkeit – es umfasst die Bereiche Umwelt, Landwirtschaft und Tourismus. ÖVP-Chef Sebastian Kurz brauchte für den streitbaren Ex-Innenminister, der zuvor lange Jahre in Niederösterreich Landesrat war, eine neue Aufgabe, nachdem er für ihn im türkisen Regierungsteam keinen Platz gefunden hatte. Nur 61,3 Prozent der Abgeordneten wollten diese Vorgangsweise unterstützen. Köstinger war Anfang November mit 67 Prozent der Stimmen gewählt worden.

"Amt beschädigt"

"Sie haben das Amt der Parlamentspräsidentin beschädigt", ließ ein erboster Nikolaus Scherak von den Neos die Kurz-Vertraute im Plenum wissen. Gegen eine solche "Geringschätzung und Missachtung des Parlaments" werde man sich zu wehren wissen. Und obwohl es die Pinken Sobotka anrechnen, dass er vor seiner Wahl das Gespräch mit allen Fraktionen gesucht hat, blieben sie dabei: Man wählte Karlheinz Kopf, "weil wir davon überzeugt sind, dass er der Bestqualifizierte für das Amt ist".

Auch die SPÖ gab sich empört. Und zwar nicht nur deshalb, weil ein Abänderungsantrag zum neuen Bundesministeriengesetz – mit dem die neue Ressortaufteilung in der Regierung festgelegt wird – den Abgeordneten viel zu knapp vor der Sondersitzung zur Verfügung gestellt worden sei. Peter Wittmann, der Vorsitzende des Verfassungsausschusses, rechnete vor allem mit Part-Time-Präsidentin Köstinger ab. "Dieses Haus ist ja keine Studentenbude, bei der man ein- und ausgehen kann, wann man will", ärgerte sich Wittmann. Er halte das "für die Würde des Hauses unerträglich". Und Sobotka sei sowieso nur als einer bekannt, der polarisieren und spalten könne – außerdem wolle man "kein Überbleibsel als Präsident".

ORF

"Äquidistanz"

Sobotka ließ sich keine Enttäuschung anmerken, versprach "Äquidistanz" und "alles zu tun", damit auch "diejenigen, die mich heute nicht gewählt haben", mit seiner Amtsführung zufrieden sind.

An seiner Seite, als neue Dritte Nationalratspräsidentin, ist seit Mittwoch Anneliese Kitzmüller von der FPÖ. Das Mitglied zweier deutschnationaler Mädelschaften erhielt 102 von 142 gültigen Stimmen (71,8 Prozent), gleich 34 waren ungültig. Unter anderen haben Peter Kolba, Klubchef der Liste Pilz, und seine Abgeordneten ihre Zustimmung verweigert. Kitzmüllers "mangelnde Abgrenzung" zu rechtem Gedankengut habe dazu geführt, "dass wir sie sicherlich nicht zur Dritten Präsidentin wählen". Zweite Nationalratspräsidentin bleibt Doris Bures von der SPÖ.

Nach der geheimen Urnenwahl folgte die Regierungsansprache von ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahm dazu auf der Zuschauertribüne im Ausweichquartier des Parlaments Platz. Der neue Bundeskanzler sprach viel von "Veränderung", der damit einhergehenden "Hoffnungen" und "Unsicherheiten" – Veränderung sei jedenfalls "nichts, was sich aufhalten lässt". Also präsentierte er flugs sein neues Regierungsteam unter viel Beifall aus den türkis-blauen Reihen, während sich bei der Opposition keine Hand regte.

ORF

Auch vom gerade als Bundeskanzler abgelösten Christian Kern gibt es keinen Applaus für das Regierungsprogramm. Er will "eine Reihe von Rückschritten" erkennen, die FPÖ habe überhaupt ihre Wähler verraten. So sei etwa die zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes eine "Politik gegen die Armen und nicht gegen die Armut".

Listengedränge

Dass einige aus dem Regierungsteam, darunter Kurz selbst, auf ihre Mandate trotz Regierungsjobs noch nicht verzichtet haben, könnte übrigens mit kolportierten Unstimmigkeiten beim Nachrücken zusammenhängen. So soll die Tiroler ÖVP etwa darauf drängen, dass die Listenerste Kira Grünberg über ein Bundesmandat einzieht, wodurch der Listenzweite, Franz Hörl, über die Landesliste einziehen könnte. Bis Jänner soll alles geklärt sein.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nützte seinen Teil der Regierungserklärung zur Erneuerung seiner Wahlkampfversprechen. In Richtung Neos-Chef Matthias Strolz erklärte er, dass sich die Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft mit ihm ja leider nicht ausgegangen sei. Der wiederum empfindet das, was jetzt an Regierungsvorhaben vorliegt, als "Enttäuschungen in Schwarz-Blau". (Karin Riss, 20.12.2017)