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Pro: Was für eigene Deutschklassen spricht

Wollte man wissenschaftliche Argumente pro "eigene Deutschklassen für Schüler, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen", so müsste diese Seite leer bleiben. Selbst bei langem Nachdenken fallen Bildungsexperten, die den Forschungsstand dazu überblicken, keine unterstützenden Studien für solche Deutschklassen ein. "Die Forschung ist sich in dieser Frage recht einig", sagt Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien. Auch ihr Kollege Stefan Hopmann muss bei der Frage nach Kollegen für die Pro-Position passen: "Das ist zwar die Lieblingsidee einiger Politiker, aber alle Experten sagen: Das ist nicht sinnvoll. Es wird aber Schulpraktiker geben, die derartige Deutschklassen aus Hilflosigkeit heraus befürworten – was aber nicht für die Maßnahme spricht, sondern nur zeigt, wie die Lehrerinnen und Lehrer in solchen Klassen von der Politik alleingelassen werden." Tatsächlich hält der Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger, es für "eine gute Idee, temporäre Deutschklassen für Intensivförderung zu machen. Mehr Sprachförderung ist immer gut, unabhängig, wo sie stattfindet." Allerdings schränkt auch er ein: "Situationen, wo alle Kinder im Klassenverband miteinander lernen und umgehen, sind wichtig, um notwendige Lernprozesse zu ermöglichen."

Kontra: Was die Gegner sagen

Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Uni Wien ist ganz klar gegen separierte Deutschklassen, ja, diese seien gar eine "dumme Idee", weil "das Sprachproblem immer ein Sekundärproblem ist. Wir haben kein Sprachproblem, sondern wir haben ein Problem mit Kindern aus schwierigen Lebensumfeldern", sagt er. Das löse man nicht in Extraklassen, sondern nur "eng gekoppelt mit dem Regelunterricht. Integrierte Förderlösungen sind nachgewiesen günstiger und effektiver als Gettolösungen, das ist hinlänglich bekannt. Kinder abzuschieben bringt nichts." Außerdem sei aus der Forschung bekannt, "dass punktuelle Fördermaßnahmen gar nichts bringen". Bildungspsychologin Christiane Spiel stimmt der neuen Regierung zwar zu, "dass es gut wäre, wenn Kinder vor dem Schuleintritt möglichst gut Deutsch könnten", eigene Deutschklassen seien dafür aber nicht das ideale Umfeld: "Alle Studien zeigen, dass Spracherwerb im gemeinsamen Lernen die Integration fördert und man die Sprache dabei auch schneller lernt." Sie verweist auf das Problem, dass Kinder in solchen Deutschklassen, in denen kein Kind Deutsch kann, erst recht der Druck fehlt, Deutsch zu sprechen, weil sie sich dort untereinander mit den Kindern mit derselben Muttersprache unterhalten können.

Das neue Regierungsprogramm sieht eigene Deutschklassen für Kinder mit nicht ausreichenden Sprachkenntnissen vor.
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Pro: Was für eine fünfteilige Notenskala spricht

Die Rückkehr zur "klaren fünfteiligen Notenskala (Sehr gut bis Nicht genügend) für alle Schultypen", die die neue türkis-blaue Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) anstrebt, ist ein anderes bildungspolitisches Thema, für das sich selbst nach Nachfrage bei mehreren Bildungswissenschaftern kein wissenschaftlicher Rückenwind finden lässt. Derzeit konnte am Schulstandort für die gesamte Schule oder einzelne Klassen entschieden werden, ob bis einschließlich der dritten Schulstufe die Ziffernbenotung durch eine alternative Leistungsbeurteilung ersetzt wird. Ab der vierten Schulstufe erfolgte die Leistungsbeurteilung dann überall mit Ziffernnoten. Das einzige Zugeständnis, das vom obersten Gewerkschafter der Pflichtschullehrerinnen und -lehrer, Paul Kimberger, zur künftig geplanten Notenverordnung auch in den Volksschulen kommt, ist, dass er sagt: "Ab der dritten Klasse brauchen wir Ziffernnoten, damit nicht erst in der vierten Klasse, vor dem Übergang in die AHS oder die Neue Mittelschule, der volle Notendruck auf die Kinder drauffällt." Er würde die Noten also ein Jahr früher als bisher vergeben. Diese seien "auch eine Frage der Transparenz und Vergleichbarkeit". Uneingeschränkt froh ist Gewerkschafter Kimberger, dass "nun mit dem Unfug mit der siebenteiligen Notenskala in den Neuen Mittelschulen Schluss ist. Das gehört weg."

Kontra: Was die Gegner sagen

"Keine gute Entscheidung", sagt Bildungspsychologin Christiane Spiel. Alle Kinder kämen "mit Neugierde und Lernbegierde, aber unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule. Wenn sie gleich am Anfang durch schlechte Noten frustriert werden, zerstört das die Lernfreude". Bildungswissenschafter Stefan Hopmann findet: "Noten sind Symbolpolitik." Die Kinder wüssten auch ohne sie sehr genau, wo sie stehen, die Lehrer sowieso: "Nur die Eltern fallen aus allen Wolken, wenn es keine Noten gibt." Der Fehler im System sei, "dass wir Übergangsentscheidungen von Noten abhängig machen. Das tragen die gar nicht, und das erklärt die vielen Fake-Einser, um den Wechsel ins Gymnasium zu sichern." Er rät zu Realitätssinn: "Noten sagen nur, wie jemand mit dem Unterricht zurechtkommt, nicht, was er oder sie kann und gelernt hat." Viel sinnvoller als Basis für wichtige Schulentscheidungen wären "intensive Kind-Eltern-Lehrer-Gespräche". Auch Spiel äußert grundsätzlichere Notenkritik: Diese bildeten wichtige Dimensionen von Schule, etwa die Sozialisationskomponente, und später gefragte Leistungsaspekte (Arbeitsmotivation, Teamfähigkeit) gar nicht ab. Paul Kimberger, Vertreter der betroffenen Volksschullehrer, sagt: "Die alternative Leistungsbeurteilung hat sich seit Jahren aus guten Gründen bewährt", wenngleich "Noten nicht kriminalisiert oder als pädagogischer Unfug gesehen werden sollen".

Die fünfteiligen Notenskala soll wieder eingeführt werden – für alle Schultypen. Zuletzt konnte in den ersten drei Volksschulklassen alternativ beurteilt werden.
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Pro: Was die Befürworter einer Bildungspflicht sagen

Die von ÖVP und FPÖ geplante gesetzliche Verankerung einer Bildungspflicht, die ein bestimmtes Grundwissen (Lesen, Schreiben, Rechnen, soziale und kreative Kompetenzen) definiert, das jeder Schüler, jede Schülerin am Ende der Schullaufbahn beherrschen muss, stößt auf breite Zustimmung. Egal, ob Wissenschafter oder Pädagogen – sie sagen klar Ja zu dieser Vision. Pflichtschullehrergewerkschaftschef Paul Kimberger etwa sieht "eine wirklich gute Sache", schränkt nur etwas ein: "Wir werden die Risikoschüler nicht auf null Prozent bringen können. Es gibt Schüler, da muss die Qual ein Ende haben" – und vielleicht in der dualen Ausbildung ein glückliches Weiter finden. "Gut, dass etwas getan wird", meint auch Bildungsforscher Stefan Hopmann angesichts des "substanziellen Problems" von 15 bis 25 Prozent aller Schüler, "die am Ende der Schulzeit eigentlich nicht in der Lage sind, eine wissensbasierte Ausbildung zu machen". Bildungspsychologin Christiane Spiel findet eine Bildungspflicht ebenfalls "grundsätzlich gut", weil derzeit viel zu viele eben nicht ausreichend "gebildet" die Schule verlassen. Dieses Ziel richte sich "vor allem an die Schulen und Lehrer im Sinne von Ergebnisverantwortung". Allerdings, betonen die Wissenschafter: Der Erfolg hänge davon ab, wie es gemacht werde.

Kontra: Was die Gegner sagen

Wenn Bildung künftig zur Pflicht werden soll, dann ist die Albtraumvision für viele Schülerinnen und Schüler die, dass sie nicht mehr nur neun Jahre absitzen müssen, sondern mit Pech deutlich länger als ein Jahrzehnt – an einem Ort, der für sie nur negativ besetzt und für vor allem mit schlechten Erlebnissen verbunden ist. Gegen die Bildungspflicht spricht im Grunde also eigentlich nur eines: Unterricht wie bisher. "More of the same macht die Sache nicht besser", sagt Bildungswissenschaftsprofessor Stefan Hopmann: "Wir haben in Österreich zu wenig Binnendifferenzierung, die von der Bildungspflicht betroffenen Schüler werden im Regelunterricht zu wenig gefördert. Das muss sich dann ändern, sonst wäre das nur eine bloße Verlängerung des Elends." Solcherart Zwangsverpflichtete würden "ja auch super zum Klassenklima beitragen", warnt Hopmann ironisch. Wer die Bildungspflicht also scheitern lassen möchte, sollte darauf verzichten, "institutionelle Lösungen, die den Kindern die Förderung geben, die sie brauchen", zu schaffen. Diese konkrete Ausgestaltung fehlt im Regierungsprogramm (noch). Und noch ein Einwand von Lehrervertreter Paul Kimberger: Er möchte Bildungspflicht nicht so verstanden wissen, "dass wir alle Schüler zur Matura und an die Uni bringen müssen". (Lisa Nimmervoll, 22.12.2017)