Shots, shots, shots: Wer feiert, schüttet sie in sich rein. Wie in Hollywoodfilmen eben. Eltern sollten aber auch über Alkoholleichen reden.

Wie fest Alkohol in der österreichischen Gesellschaft verankert ist, wird jedes Jahr wieder aufs Neue untermauert. Laut "Europäischer Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen" (ESPAD) gehören heimische Schüler im Alter von 15 bis 16 Jahren zu den Spitzenreitern beim Alkoholkonsum in der Ausformung namens Rauschtrinken. Das hat, sagt Psychologin Lisa Wessely vom Wiener Verein Dialog, mehrere Gründe: "Die rechtliche Situation ermöglicht schon sehr früh den Konsum. Darüber hinaus ist Alkohol in Österreich sehr akzeptiert, die Aufforderung zum Mittrinken ist weitverbreitet."

Dass junge Menschen im Laufe des Heranwachsens früher oder später mit Alkohol in Berührung kommen, lässt sich nicht verhindern. Entscheidend ist, einen verantwortungsbewussten Umgang damit zu lernen. Als bedeutende Basis dafür gilt die Stärkung der Lebenskompetenzen. "Wir schulen Pädagogen und Pädagoginnen unter anderem darin, den Kindern zu zeigen, wie sie ihre Gefühle wahrnehmen können und konflikt-, beziehungs- sowie genussfähig werden", erklärt Wessely. Denn wer in diesen Bereichen des Lebens gut aufgestellt sei, könne später eher mit belastenden Situationen umgehen.

Stütze bleiben

Stabile Beziehungen und Gruppenzugehörigkeit spielen dabei eine besonders große Rolle. "Ein wichtiger Faktor einer Suchtentwicklung ist das subjektive Gefühl an Beziehungsmangel", erklärt Kurosch Yazdi. Der Psychiater leitet als Primararzt die Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Sucht-Medizin am Johannes-Kepler-Universitätsklinikum in Linz und ist Autor von zwei Büchern zum Thema Suchterkrankungen. Seine Erfahrung: Wenn Jugendliche sich allein gelassen und nicht beachtet fühlen, neigen sie eher zur Kompensation durch Suchtmittel.

Um einen Zugang zu Kindern und Jugendlichen zu finden, sei Wertschätzung angebracht. Das gelte nicht nur für Eltern, sondern auch für Lehrer, Arbeitgeber und die gesamte Gesellschaft. Eine positive, verständnisvolle Situation entstehe, indem Erwachsene von eigenen Erfahrungen berichten, Fragen stellen und die Antworten ohne Wertung annehmen würden.

Natürlich sei auch das Setzen von Grenzen notwendig, aber gleichzeitig solle man in heiklen Situationen vermitteln: "Ich schätze zwar nicht, was du tust oder getan hast, aber ich schätze dich." Wenn ein Jugendlicher bereits zu viel trinkt, sollten gerade Eltern den Konflikt auf keinen Fall scheuen. "Damit meine ich aber einen wertschätzenden Konflikt", betont Yazdi. Er rät dazu, "wohlwollend lästig zu bleiben" und "ja nicht wegzuschauen". Natürlich seien für eine stabile Beziehung auch gemeinsame Zeiten ohne Konflikte wichtig.

Vorbildwirkung bedenken

Eines ist klar: Erwachsene haben eine starke Vorbildwirkung. "Wie daheim mit Alkohol umgegangen wird, prägt Kinder sehr", weiß Wessely. Das heißt aber nicht, dass Eltern selber gar nichts mehr trinken sollen. Es geht vielmehr darum zu vermitteln, dass Alkohol ein Genussmittel ist, und einen verantwortungsvollen Umgang damit vorzuleben. Kinder sollen sehen, dass an manchen Tagen bewusst Wein oder Bier genossen, an anderen Tagen aber kein einziger Tropfen getrunken wird. "Es ist wichtig, eine Haltung zu haben und diese den Kindern zu vermitteln." Schon gar nicht sollte man Alkohol als Werkzeug missbrauchen, um Negatives zu kompensieren. Im Gegenteil: "Gerade wenn es einem schlecht geht, sollte man auf Alkohol verzichten, um zu zeigen, dass es andere Möglichkeiten gibt, sich wieder aus der Krise zu ziehen", rät Yazdi.

Eine Altersgrenze, um über Alkohol zu sprechen, gibt es nicht. "Das ist möglich, sobald das Kind verstanden hat, was Alkohol ist – egal, ob es selbst schon einmal konsumiert hat oder nicht", sagt der Psychiater. Zu beachten sei dabei allerdings, Alkohol nicht generell zu verteufeln, weil das unglaubwürdig wirkt. Sehrwohl könne man Heranwachsende aber auf die möglichen Probleme hinweisen, die bei übermäßigem Konsum entstehen können. Auch Jugendliche in der Pubertät seien durchaus für das Thema zugänglich.

Mit Rauschbrille

Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen, Meinungen auszusprechen und einzuholen, sich fragend an das Thema heranzutasten, Erfahrungen miteinzubinden und Diskussionen entstehen zu lassen. Der Verein Dialog arbeitet unter anderem mit spielerischen Methoden. Dazu gehört eine Rauschbrille, die einen Rauschzustand simuliert, oder ein Mitwirktheater zum Thema Alkohol. "Dinge werden erlebbar gemacht, um leichter darüber sprechen zu können", erklärt Wessely. "Wenn man bei den Lebensrealitäten der Jugendlichen bleibt, erreicht man sie auch und sie können sich etwas mitnehmen", ist sie überzeugt. Präventionsarbeit müsse allerdings langfristig und auf mehreren Ebenen stattfinden. (Maria Kapeller, 30.12.2017)