Amsterdam – Abdelhak Nouri hat seinen Traum als Profifußballer gelebt – er dauerte nur zehn Monate. Im Sommer war das 20 Jahre alte Ausnahmetalent von Ajax Amsterdam bei einem Testspiel im Zillertal mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen und hatte schwere Hirnschäden erlitten, ohne Chance auf Genesung. Nie wieder dribbeln, nie wieder jubeln, nie wieder morgens aufstehen.

Abdelhaks Bruder Abderrahim bewahrt die Erinnerung an seinen kleinen Bruder, der sich laut der Ärzte nicht wieder erholen wird, im Herzen. Dort trägt er das Bild eines Jungen, der mit "seinen Fußballschuhen an den Füßen einschlief" und sich nie etwas auf sein Talent einbildete, sondern sich für andere einsetzte.

"Appie" tanzte

Schon als Siebenjähriger unterschrieb Abdelhak Nouri, eines der größten niederländischen Talente, einen Vertrag beim Rekordmeister Ajax Amsterdam und wurde in der Ajax-Akademie aufgenommen – deren Talentschmiede Größen wie Johan Cruyff und Clarence Seedorf hervorgebracht hatte.

AFC Ajax

"Appie", wie ihn Freunde und Familie nennen, hatte die spielerischen Vorraussetzungen, auch einmal ein Großer zu werden. Er besaß die Fähigkeit, den Ball durch ein Nadelöhr zu seinem Mitspieler zu passen, er verzauberte die Zuschauer durch sein erstaunliches Repertoire an Tricks, mit denen er seine Gegner austanzte.

"Ich kann besser spielen"

Der nur 1,70 Meter große Nouri blieb auf dem Boden. Selbst wenn er atemberaubend spielte und ihn sein Bruder fragte, wie er das auf dem Platz nur mache, antwortete er schüchtern: "Ich kann besser spielen."

Die Ajax-Kurve steht hinter Nouri.
Foto: imago/Pro Shots

Natürlich klopften die europäischen Topklubs bei Nouri an, doch er blieb Ajax treu, für das er im vergangenen September das erste Mal als Profi aufgelaufen war. Auch jetzt hängt sein Trikot weiter in der Kabine der ersten Mannschaft, seine Schuhe stehen darunter.

Der Tag, der alles verändern sollte

So wie er mit seinem Heimatklub verbunden war, so setzte Nouri sich auch für die Menschen in seinem Stadtteil Geuzenveld ein. Der Junge mit den marokkanischen Wurzeln wollte in der Gegend, in der er aufwuchs, etwas bewirken. Er versuchte, junge Migranten aus der Kriminalität zu holen, bezahlte Kranken Operationen und galt in der Schule als Vorbild. Mit gerade einmal 20 Jahren war Nouri derjenige in Geuzenveld, den man um Hilfe bat.

Die Diagnose war für die Familie niederschmetternd.
Foto: APA/AFP/ANP/SANDER KONING

Doch seit dem 8. Juli ist alles anders. Sein Bruder Abderrahim hat an diesem Tag vor dem Fernseher mitbekommen, wie sein kleiner Bruder in der 72. Spielminute des Tests gegen Werder Bremen während des Trainingslagers in Tirol zusammengebrach.

Zuerst hatte er keine schlimmen Befürchtungen. "Doch dann sah ich die Reaktionen der Spieler, wie sie ihre Köpfe in den Händen vergruben, und mein Herz fing an zu pochen", sagte er: "Ich sah nur noch schwarz, ich wusste nicht, was ich tun soll."

Hoffnung

Die niederschmetternde Diagnose folgte tags darauf. Das Gehirn war bei dem Herzstillstand minutenlang nicht mit genügend Sauerstoff versorgt worden. Sein Bruder werde "nicht mehr fähig sein, zu laufen, zu gehen oder zu begreifen", das sind die Worte der Ärztin, an die sich Abderrahim erinnert.

Und obwohl Nouri immer noch im Krankenhaus liegt und sich sein Zustand kaum verbessert hat, ist die Familie nicht wütend und hegt weiter Hoffnung. Die Frage "Warum er?" werde nicht gestellt, sagte Abderrahim: "Es ist nur der Gedanke da, dass wir ihn vermissen. Das ist der Teil, der sehr schwer für uns bleibt." (sid, red, 22.12.2017)