Fotodpa/Wolfgang Thieme:

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: picturedesk / Mary Evans

Dass der Erfolgsdruck uns Leistungsträger just an Weihnachten verließe, hat niemand ernsthaft angenommen. Der Imperativ für die kommenden Tage lautet also: Das Fest muss gelingen! Gefangene werden keine gemacht! Ohne saisonale Bravour geht gar nichts!

An Tipps zur Erreichung dieser Ziele herrscht kein Mangel, von hausbackenen bis zu extravaganten. Was alles möglich ist, zeigt dieses kleine, bei einem schnellen Internetrundblick gewonnene Zufallspotpourri: "Tüten Sie das Präsent in einen hübschen Stoffbeutel, über den sich die oder der Beschenkte gleich mitfreuen kann. Kreative nähen und gestalten diesen gleich mit, etwa per Kartoffeldruck", lesen wir auf "www.t-online.de".

Natürlich muss auch niemand ständig die einfallslose Gans hinunterwürgen. "Webkoch.de" tischt die "leckere exotische Rezeptidee" auf, es einmal mit einem "spanischen Fricco" oder einer "kosovarischen Pide mit Spinat-Feta-Füllung" zu versuchen. Und in der Kategorie "Originelle Gaben" kann etwa die Firma "Monsterzeug.at" mit einem "mitzählenden und sprechenden Flaschenöffner" dienen ("Prost, Du Sack!"). Ein solches Geschenk ist nur schwer zu toppen.

Große Aufregung

Ich habe das Glück, mich an ziemlich wunderbare Kindheitsweihnachten erinnern zu dürfen (die vielen Stressmomente, von denen das Fest gesäumt war, verdrängen wir aus weihnachtlicher Barmherzigkeit). Worauf stoße ich, wenn ich die Feierlichkeit nachträglich in ihre einzelnen glücksbringenden emotionalen Komponenten zerlege? Auf die Freude über die Geschenke, gewiss. Das Gefühl familiärer Geborgenheit, welches sich verdichtete wie niemals sonst im Jahreskreis. Auf das Gefühl, über den rituellen Ablauf des Festes in eine Heilsgeschichte ("Heilsnarrativ", sagt man heute) mit tendenziell erfreulichen transzendentalen Aussichten eingebunden zu sein. Wer's glaubt, wird selig!

Das Ritual war, wie es sich für Rituale gehört, immer ein und dasselbe. Bevor gemeinsam der Mayonnaisesalat und die kalte Platte verzehrt wurden und sodann die Bescherung folgte, stand, in der hereinbrechenden dunklen Winternacht, der Besuch auf dem Friedhof an, um die Toten zu ehren. Im Lauf der Jahre sind es so viele Tote mehr geworden. Stumm fordern sie, dass man auch ihnen Reverenz erweise.

Besonders gut erinnere ich mich an jenes Gefühl der Anspannung, das mich und meine jüngere Schwester in den Tagen und Stunden vor der Bescherung ("Einbescherung" heißt es in E. T.A Hoffmanns wunderbarer Weihnachtsgeschichte von "Nussknacker und Mausekönig") zuverlässig erfasste. Durch das Milchglasfenster in der Wohnzimmertür versuchten wir den ganzen 24. Dezember über vergeblich, uns über die Konturen des Christbaums und die Art und das Ausmaß der Geschenke klarzuwerden.

Oft war die Aufregung so groß, dass wir wild durch die Wohnung rannten oder wie Sprungfedern in unsere Betten hinein- und hinaushüpften, um die übermäßige Anspannung ein bisschen zu lindern. Es ist billig, aber auch recht, darauf hinzuweisen, wie genussreich das Durchleben einer Distanz zwischen einem Wunsch und seiner Erfüllung sein kann, gerade in einer Zeit, wo mächtige Interessen unablässig danach drängen, den Abstand zwischen Genuss und Befriedigung auf null zu stellen: Konsumiert euch schnellstens dumm und deppert! In diesem Sinn: Versuchen Sie zu Weihnachten einmal, ein neues Gefühl zu erleben. Seien Sie gespannt. (Christoph Winder)

Es hat schon seine guten Gründe, warum es eine ausgewachsene Trivialfilmindustrie gibt, die sich mit dem Thema misslungene Weihnachten beschäftigt. Der brennende Christbaum ist in diesen Filmen die Pflicht, die Gans im Mistkübel – und der Gin, mit dem sie hätte eingerieben werden sollen, in der Köchin – und ähnliche Missgeschicke sind die Kür. Wo gleich die erste Warnung auszusprechen wäre, und zwar im Doppelpack: Nein, trinken Sie am Nachmittag vor dem Heiligen Abend keine Flasche Gin. Aber ebenfalls nein, beginnen Sie nicht ausgerechnet am Nachmittag vor dem Heiligen Abend mit Ihrer überfälligen Leberkur. Ein kleiner Spitz kann die Heiligmäßigkeit durchaus fördern.

Wie ja ein gelungenes Fest überhaupt viel mit Maß und Ziel zu tun hat. Das Ziel ist die Herstellung von Glück, und das gilt für alle Weihnachtsaficionados/as gleichermaßen: für jene, die sich von ihrem/ihrer Holden eine Rolex wünschen, für jene, die gern gebackenen Karpfen mit Mayonnaiseerdäpfelsalat essen, und für jene, die an die Geburt des Jesus von Nazareth glauben. Das Maß besteht darin, in einem Zipfel der rechten Gehirnhälfte das Bewusstsein zu erhalten, dass die geschenkte Rolex vielleicht ein Ausdruck schlechten Gewissens ist, auf den Karpfen eine Gallenkolik folgen kann – und dass sich auch anno domini 2017 bzw. bald 2018 die Welt so etwas von unerlöst zeigt, dass es eine Art hat.

Nicht bei den Geschenken sparen!

Bei Umfragen geben die Österreicherinnen und Österreicher – vor allem Letztere – immer wieder an, dass die Geschenkfrage ein beachtlicher Stressfaktor ist. Daraus, was ja logisch wäre, die Forderung abzuleiten, sich um eines friedlichen Weihnachtsfestes willen aller Geschenke zu enthalten: Nein, das traut sich Ihre Schreiberin nicht.

Sie hätte nicht nur Horden Enttäuschter am Hals, die ihr den unter dem Christbaum als einziges Geschenk empfangenen warmen Händedruck gerne zurückgeben würden: als Watschn. Die Rache der Geschäftsleute wäre noch viel fürchterlicher. Etwa die der Juwelenhändler, von denen der eine oder der andere auf die Idee kommen könnte, ihr ein Schlückchen Salpetersäure – damit kann man Gold bestimmen – als weihnachtliches Verdauungsschnapserl zukommen zu lassen. Nein, nein, bitte: Sparen Sie nicht bei den Geschenken!

Nur ja nicht verreisen!

Eine ausdrückliche Warnung ist hingegen vor einer Weihnachtsreise auszusprechen: Damit haben ja schon die Maria und ihr Josef schlechte Erfahrungen gemacht. Ställe, in denen es zieht wie in einem Vogelhaus und in dem auch noch andere Tiere wohnen, gibt es nicht nur in Bethlehem. Dort, wo es heiß und schön ist, lauern andere Gefahren, ich sage nur: Pharaos Rache. Woanders wiederum gibt es Vulkane, die nur darauf warten auszubrechen, wenn Sie, des Hulahula müde und voller Vorfreude auf einen Schweinsbraten mit Semmelknödeln und Sauerkraut, am Flughafen auf ihren Heimflug warten.

Apropos Pipperl und Papperl, widmen wir uns am Schluss noch einmal diesem weihnachtlichen Thema. Nein, keine Verbote, das versucht heutzutage nicht einmal der Papst, obwohl der 24. ja einmal ein Fasttag war. Aber eine Warnung darf es sein (nein, nicht davor, Ihrer veganen Schwiegertochter ein Bourdain-Kochbuch zu schenken). Vielmehr sei Ihnen mitgegeben: Man soll nicht mehr essen, als mit aller Gewalt reingeht. Dann kann nichts passieren. Amen. (Gudrun Harrer, 23.12.2017)