Wien – Dass Gelegenheit Diebe macht, ist sprichwörtlich. Die Aufgabe von Richterin Alexandra Skrdla im Verfahren gegen Mert K. ist nun herauszufinden, wer den Besitzstatus eines Laptops und einer Digitalkamera illegal geändert hat: der 16-jährige Angeklagte, ein oder zwei strafunmündige 13-Jährige oder alle zusammen.

Dem unbescholtenen K. werden von Staatsanwalt Philipp Trebuch zwei Taten vorgeworfen: Im Oktober soll der Lehrling in einem Elektronikgeschäft versucht haben, ein Handycover zu stehlen. Das gibt der Teenager zu. "Wie kommt man auf die Idee?", will Skrdla von dem Jugendlichen wissen. "Das war sozusagen eine Mutprobe. Und sehr blöd." – "Wie kann man sich das vorstellen? Man sitzt zusammen, und einer sagt: 'Mert, zeig, dass du ein Mann bist!'?" – "So ungefähr. Ich habe nicht nachgedacht, sondern gehandelt."

Verein für Kinder und Jugendliche

Trotz belastender Zeugenaussagen bestreitet K. aber, etwas mit dem Verschwinden eines Laptops und einer Kamera aus den Räumen eines Vereins für Kinder und Jugendliche zu tun zu haben. Der Lehrling weiß von seiner Verteidigerin aber auch, dass er gestehen müsste, um mit einer Diversion davonzukommen. "Ich muss es ja zugeben, eigentlich", sagt er daher zu Skrdla. "Sie müssen gar nix", antwortet die.

K. erzählt also, dass er "Leo" und "Ili", zwei 13-Jährige, bei der U-Bahn-Station getroffen habe, als er nach der Schule heimfuhr. Die beiden baten ihn, in einem Handyshop für sie einen Laptop zu verkaufen. Der Mitarbeiter dort lehnte aber ein Geschäft ab, also habe er "Leo" den Computer gegeben und sei gegangen, sagt der Angeklagte.

"Warum haben die beiden den Laptop nicht selbst verkauft?", will die Richterin von ihm wissen. "Ich dachte mir, dass sie zu jung sind." – "Und woher, dachten Sie, stammte der Laptop?" – "Ich dachte, er gehört Leo."

Schuss öffnete Einstiegsmöglichkeit

Der Bursch, den man auch für jünger halten könnte, tritt als erster Zeuge auf. Und erzählt eine ganz andere Geschichte. Er und "Ili" hätten auf dem Vereinsgelände Fußball gespielt, ein Schuss habe ein Fenster getroffen, das dadurch aufging. "Wir sind hineingeklettert, um Wasser zu trinken", behauptet der Schüler.

Später habe er in einem Supermarkt den Angeklagten, den er seit zwei Jahren kenne, getroffen, der mit ihm zurück zum offenen Fenster gegangen sei. Er sei wieder hineingeklettert, der Angeklagte habe ihm eine Tasche gegeben und gesagt, er solle den offen herumliegenden Laptop einpacken. Der 13-Jährige sah auch noch eine Kamera und steckte sie auf K.s Aufforderung ebenfalls ein.

Draußen traf man auf "Ili", der sei mit K. dann "zum Araber" in den Handyshop gegangen. Später habe K. ihn angerufen und gesagt, er habe nur die Kamera verkaufen können, sein Vater habe den Laptop weggeschmissen. Im Laufe der Befragung verwickelt sich der junge Zeuge zusehends in Widersprüche. Warum, wird durch die Aussage von "Ili" klar.

13-Jähriger als gesetzestreuer "Spielverderber"

Der bestätigt zwar, dass durch den Ball das Fenster aufgeschossen worden sei. "Leo" und er seien hineingeklettert, um zu trinken. "Dann habe ich ihn mit der Kamera gesehen, er wollte sie klauen. Ich habe ihm gesagt, dann sind wir keine Freunde mehr, da hat er sie zurückgebracht." Nicht, ohne zuvor anzumerken, "Ili" sei ein "Spielverderber".

Später habe er den Angeklagten und "Leo" im Hof getroffen – samt Diebsgut. Da ein Verkauf "beim Araber" nicht möglich gewesen sei, habe der Angeklagte einen Freund angerufen, der als Hehler fungieren sollte, behauptet der 13-Jährige.

K. bleibt bei seiner Aussage: Er habe die beiden Jüngeren zufällig getroffen. "Gut, selbst wenn man den 'Leo' weglässt, aber warum sollte 'Ili' lügen?", wundert sich Skrdla. "Vielleicht haben sie Angst vor ihren Eltern?", mutmaßt der Angeklagte. "Ich hätte mehr Angst vor mir als vor den Eltern", vertraut die Richterin auf die ehrfurchtgebietende Wirkung der Staatsgewalt.

Zu einem Urteil kommt Skrdla nicht, da eine Mitarbeiterin des Vereins, der K. angeblich telefonisch den Diebstahl gestanden hat – was er bestreitet –, auf Urlaub ist. Die Richterin vertagt auf 31. Jänner. (Michael Möseneder, 12.1.2018)