Wien – Nitrococcus-Bakterien galten bisher als selten. Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung wies nun aber ihre weltweite Verbreitung nach. Zudem zeigten sie, dass diese Mikroben bei Sauerstoffmangel ihren Stoffwechsel umdrehen und Treibhausgase produzieren können. Damit könnten sie auch zur Erderwärmung beitragen, berichten die Forscher im Fachjournal "Science Advances".

Der Nachweis der weltweiten Verbreitung gelang den Wissenschaftern um Jessika Füssel vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen bei der Suche nach entsprechenden Erbgut-Sequenzen von Nitrococcus in DNA-Datenbanken. Üblicherweise sorgen Nitrococcus und andere nitrit-oxidierende Bakteriengruppen dafür, die Nitratbestände in den Meeren aufzufüllen.

Das tun sie, indem sie Nitrit (NO2) durch Oxidation zu Nitrat (NO3) umwandeln und gleichzeitig Kohlendioxid (CO2) in ihrer Biomasse binden. Nitrat ist die häufigste und stabilste Stickstoff-Quelle für Organismen. Üblicherweise sammelt es sich in tieferen Meeresschichten in großen Mengen an, nur wenn dieses Tiefenwasser wieder an die Oberfläche gelangt, steht es ausreichend zur Verfügung, damit Algen an der Meeresoberfläche wachsen und das Treibhausgas CO2 aufnehmen und speichern können.

Aus Nitrat wird Distickstoffmonoxid

Die Forscher haben nun aber festgestellt, dass Nitrococcus bei Sauerstoffmangel seinen Stoffwechsel umkehren kann. Dann reduzieren die Mikroben Nitrat zu Nitrit und weiter zu Distickstoffmonoxid (N2O). Zudem wird bei diesem Prozess auch CO2 freigesetzt. "Wir konnten erstmals bei einem marinen nitrit-oxidierenden Bakterium diesen umgekehrten Stoffwechselweg feststellen", erklärte Holger Daims von der Universität Wien, ein Koautor der Studie.

Von Bedeutung ist das nicht nur, weil Distickstoffmonoxid etwa 300 Mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid. Es ist auch deshalb wichtig, weil diese marinen nitrit-oxidierenden Bakterien in sauerstoffarmen Zonen der Ozeane sehr häufig sind. Bisher gingen die Forscher davon aus, dass sie auch dort nur Nitrit oxidieren und dabei mit sehr wenig Sauerstoff auskommen. "Unsere Studie widerlegt das aber und zeigt, dass andere Stoffwechselwege wie die Nitrat-Reduktion für diese Bakterien in sauerstoffarmer Umgebung wohl wichtiger sind", so Daims.

Flexibler Stoffwechsel

Angesichts der Tatsache, dass sich die Meere immer stärker erwärmen und dadurch immer weniger Sauerstoff enthalten, könnte Nitrococcus in den zunehmend sauerstoffarmen Zonen seine stickstoff-erhaltende Funktion verlieren und durch Freisetzung von Distickstoffmonoxid und CO2 den Treibhauseffekt zusätzlich anheizen, warnen die Wissenschafter.

Nitrococcus wartete in der Studie aber mit einer weiteren Überraschung auf: Das Bakterium kann auch Sulfid, eine für die meisten Lebewesen hochgiftige Verbindung, in harmlosen Schwefel umwandeln. Die Wissenschafter fanden nicht nur die Gene des dafür notwendigen Enzyms im Erbgut der Mikroben, sondern konnten diesen Stoffwechselweg auch in Experimenten nachweisen. Nitrococcus könnte damit zu einer Entgiftung sogenannter Todeszonen im Meer mit hohem Sulfid-Gehalt beitragen. (APA, 29.12.2017)