Dass es mit dem Respekt des Bundeskanzlers vor dem Parlament nicht weit her ist, hat er hinlänglich bewiesen, als er dessen Präsidium als vorübergehende Ablage für Elisabeth Köstinger bis zur Lösung seiner Probleme bei der Zusammenstellung der türkisen Regierungsfraktion missbrauchte. Als Gott auf Rupprechter nicht länger hören wollte und seine Hilfe einstellte (aber vielleicht gab es auch noch andere Gründe), Köstinger also dessen Landwirtschaftsressort ohne jede Berufung auf IHN, bloß auf Berufung von Kurz, übernahm, war es Zeit für die zweite Respektlosigkeit. Was tun mit Wolfgang Sobotka, dessen Glanz als Innenminister im Auge des Bundeskanzlers neben der verdachtschöpferischen Ausstrahlung eines Herbert Kickl traurig verblassen musste? Wer konnte da geeigneter sein für die Nachfolge Köstingers als ein Mann, der keinen Tag seines Lebens im Parlament an den Früchten der Demokratie genascht hat?

Es zeugt vom Feingefühl, für das Sobotka bekannt ist, dass er die Tage zwischen Weihnachten und Silvester zu dem Versuch nutzte, in dieser stillen Zeit des Jahres mit medialem Getöse die demokratiepolitische Scharte des Kanzlers auszuwetzen und sich als würdiger Nachfolger Elisabeth Köstingers und seiner selbst als Gemeinderat, ja sogar als Bürgermeister zu präsentieren. "Ich bin zehn Jahre lang in der Urmutter des Parlamentarismus gesessen, nämlich in einem Gemeinderat", bemühte er sich in den Salzburger Nachrichten, seine Eignung für das Amt des Nationalratspräsidenten von jeder Tätigkeit im Parlament mit dem sicheren Instinkt der Urmutter ÖVP, man könnte aber auch sagen, mit einschlägiger Unverfrorenheit, zu entkoppeln.

Das muss nicht heißen, aus Sobotka könnte kein guter Nationalratspräsident werden, aber der Weg dorthin führt nicht über Phrasen, die nur den Umgang der Exekutive mit dem Parlament beschönigen sollen. Er möchte den Bürgern die Schutzfunktion des Parlaments für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewusst machen, sagte er dem Kurier. Da hätte er gleich die näheren Umstände seiner Bestellung (selbst)kritischer zur Sprache bringen können, statt sie schönzureden und mit Unausgegorenem aufzuwarten. "Wir müssen zum Sprachrohr der Sprachlosen werden", forderte er im Majestätsplural, wieder im Kurier. Um wen es sich bei den Sprachlosen handelt, blieb offen, aber er hätte gerne "einen Speakers' Corner im Volksgarten. Das fände ich spannend." Mag sein, aber was soll das? Und mit dem Nationalrat als Sprachrohr?

Dass er laut Salzburger Nachrichten "auf Äquidistanz zu allen Parteien" achten will, egal "auf welcher ideologischen Seite sie sich befinden", ist nett, aber selbstverständlich und schließt Nebenjobs eigentlich aus. Aber laut Kurier "wird er trotzdem im Hintergrund aktiv sein: 'Dort, wo mich der Kanzler braucht.' So wurde Sobotka bereits in die Länder ausgeschickt, um die Fusion der Krankenkassen zu verhandeln."

Ein Nationalratspräsident wird aktiv, wo der Kanzler ihn braucht? – Gut, dass er den darob Sprachlosen auch gleich das Sprachrohr sein will. Aber bitte an der Speakers' Corner im Volksgarten, nicht im Hohen Haus. (Günter Traxler, 28.12.2017)