"Der Verkehrsbereich ist der Schlüsselbereich, in dem wir die CO2-Reduktion zustande bringen müssen", sagt Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Foto: Robert Newald

Ob Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger ein Porträt als Kurzzeit-Parlamentspräsidentin bekommt, ist noch offen.

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STANDARD: Im Parlament hängen Bilder aller vergangenen Nationalratspräsidenten, üblicherweise suchen sich die Abgebildeten selbst aus, wer sie porträtiert. Wissen Sie schon, wer Sie malen wird?

Köstinger: Diese Frage war für mich nicht zentral in der vergangenen Woche. Die Entscheidung, ob es überhaupt ein Porträt gibt, liegt aber ohnehin beim jetzigen Nationalratspräsidenten.

STANDARD: Wäre es Ihnen unangenehm, nach sechs Wochen im Amt neben den langgedienten Präsidenten zu hängen?

Köstinger: Ich habe das Amt sehr ambitioniert verfolgt und habe mir die Entscheidung zu wechseln nicht leichtgemacht.

STANDARD: Jetzt sind Sie Nachhaltigkeitsministerin, zuständig für Umwelt, Tourismus und Landwirtschaft. Gerade hat der Europäische Gerichtshof einer Umweltschutzorganisation das Recht eingeräumt, bei einem Umweltverfahren Parteienstellung einzunehmen. Freut Sie das?

Köstinger: Jetzt muss man sich das Urteil einmal im Detail anschauen, das wird gerade im Haus erledigt. Trotzdem ist wichtig: Nur weil etwas sehr bürokratisch ist und lange dauert, heißt das noch lange nicht, dass der Umweltschutz davon profitiert. Wir wollen, dass solche Verfahren einfacher werden.

STANDARD: Bis wann soll das Erkenntnis umgesetzt werden?

Köstinger: Wichtig ist die Qualität, auch dem Parlament kommt da noch eine wichtige Rolle zu.

STANDARD: Woran liegt es, dass die Öffentlichkeit bei Entscheidungen in Umweltangelegenheiten bisher nicht ausreichend mitreden kann?

Köstinger: Es gibt eine Umsetzungsproblematik, weil Naturschutz ja in der Kompetenz der Bundesländer liegt. Dass wir das ins Regierungsprogramm aufgenommen haben, zeigt aber, dass wir uns der Versäumnisse bewusst sind und versuchen, es in Zukunft besser zu machen.

STANDARD: Nämlich wie?

Köstinger: Wir wollen auf Bundesebene eine stärkere Koordinierungsfunktion übernehmen. Denn wie gesagt: Umweltschutz ist keine Bundeskompetenz. Da bräuchten wir eine Staatsreform, aber das wird schwierig und ist derzeit auch nicht angedacht.

STANDARD: Inhaltlich ging es beim EuGH-Urteil um einen Fluss, dessen Pflanzen und Fische gestorben sind, weil das Wasser für die Schneekanonen des benachbarten Skigebietes verwendet wird. Wie geht das zusammen: auf der einen Seite trotz Klimawandels den Wintertourismus fördern, etwa durch Vergünstigungen für Schulskikurse, und sich gleichzeitig dem Umweltschutz verpflichtet fühlen?

Köstinger: Diesen Interessenkonflikt haben wir in vielen Bereichen. Hier sind oft Regionen betroffen, in denen ohne Tourismus die Abwanderung droht. Da braucht es eine gute Gesamtstrategie.

STANDARD: Die Flächen, auf denen man ohne Beschneiung auskommt, werden aber immer weniger.

Köstinger: Ja, aber das darf man nicht nur im Widerspruch zum Umweltschutz sehen. Hier geht es um Regionen, die sonst nicht überleben könnten. Wintertourismus ist in Österreich ein erheblicher Wirtschaftsfaktor.

STANDARD: Auch in Zusammenhang mit dem Bau der dritten Piste am Flughafen Wien gibt es dieses Spannungsverhältnis. Aus Sicht der Umweltministerin müssten Sie dagegen sein, oder?

Köstinger: Dass das Verkehrsaufkommen dadurch nicht weniger wird, ist klar. Derzeit verlagert sich das aber nur nach Bratislava. Nur machen CO2-Emissionen ja nicht vor Ländergrenzen halt. Die Slowakei ist auch bekannt dafür, weniger Auflagen zu haben. Was dann der große Nutzen für Österreich sein soll, erschließt sich mir nicht. Für uns ist das eine Standortfrage. Es ist meiner europäischen Erfahrung geschuldet, dass ich die romantische Brille schon vor langer Zeit abgelegt habe.

STANDARD: Umweltschutzorganisationen befürchten, dass im Zweifel das Wirtschafts- vor dem Umweltinteresse geht.

Köstinger: Nein, wir haben ein klares Bekenntnis, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 36 Prozent zu senken. Aber das bedeutet eine große Anstrengung und wird auch nicht ohne Einschränkungen funktionieren. Jeder hat den Wunsch, dass die Welt besser wird, aber niemand will wirklich auf etwas verzichten.

STANDARD: Wäre es nicht Aufgabe der Politik, hier den Rahmen zu definieren – auch durch Verbote?

Köstinger: Ich glaube, für Verbote gibt es wenig Akzeptanz. Wir wollen auf Anreize setzen.

STANDARD: Soll die niedrigere Besteuerung von Diesel, ein umweltschädlicher Anreiz, fallen?

Köstinger: Unser Ziel heißt Entlastung. Das bedeutet, dass wir nirgendwo Steuern anheben. Aber auch beim Verkehr kann man Anreize schaffen. Der Verkehrsbereich ist der Schlüsselbereich, in dem wir die CO2-Reduktion zustande bringen müssen.

STANDARD: Wie passt da die vom Verkehrsminister angekündigte Hebung des Tempolimits auf 140 km/h samt höheren Schadstoffemissionen dazu?

Köstinger: Da halten sich die Schadstoffemissionen noch in Grenzen. Wirklich CO2-aufwendiger wird es ab 150 km/h, und das haben wir ja nicht gemacht.

STANDARD: Aber das Erreichen der Klimaziele wird damit nicht erleichtert. Wie soll das gelingen?

Köstinger: Speziell im urbanen Bereich wollen wir auf alternative Antriebstechnologien setzen.

STANDARD: Sollen neu angeschaffte Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr ausschließlich E-Mobile sein?

Köstinger: Nur dort, wo es Sinn macht. Wir haben es noch nicht geschafft, die Stromerzeugung auf 100 Prozent erneuerbare Energie umzustellen.

STANDARD: Österreich hat zwei Kohlekraftwerke, bis wann soll der Ausstieg erfolgt sein?

Köstinger: Möglichst rasch. Idealerweise bis zum Jahr 2020.

STANDARD: Bis 2030 wollen Sie komplett auf erneuerbare Energien in der Stromproduktion umsteigen. Was davon soll bis zum Ende der Legislaturperiode erreicht sein?

Köstinger: Dafür brauchen wir eine Klima- und Energiestrategie. Das große Ziel wird 2030 sein.

STANDARD: Müssten Sie dafür nicht Zwischenziele definieren?

Köstinger: Die Klima- und Energiestrategie ist gerade in Erarbeitung.

STANDARD: Bis wann soll sie vorliegen?

Köstinger: So rasch wie möglich.

(Sebastian Fellner, Karin Riss, 29.12.2017)