STANDARD: Sie waren gerade bei Armin Wolf im "ZiB 2"-Studio: Wie haben Sie denn seine Fragen erlebt? Waren die "unbotmäßig", wie FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger Wolfs Fragen an Kanzler und Vizekanzler empfand?

Blümel (lacht): Ich habe das Interview mit Armin Wolf im ORF so professionell erlebt wie immer.

STANDARD: Professionell schließt unbotmäßig ja nicht aus.

Blümel: Ich weiß nicht einmal, was unbotmäßig heißt.

STANDARD: Ungehörig.

Blümel: Kann etwas professionell und ungehörig sein?

STANDARD: Man kann professionell fragen und trotzdem unhöflich sein. Soll ich’s mal probieren?

Blümel: Bleiben wir bei professionell.

STANDARD: Das Regierungsprogramm will im ORF-Kapitel "Objektivität und Unabhängigkeit sichern". Sehen Sie da Defizite, Verbesserungsbedarf?

Blümel: Es gibt das Grundsatzbekenntnis zu Pluralität und Diversität im österreichischen Medienraum. Zu Vielfalt, Objektivität und Unabhängigkeit muss man sich grundsätzlich bekennen, wenn man eine demokratiepolitisch relevante Medienlandschaft haben will. Das heißt jetzt nichts Spezielleres als das. Die Journalistinnen und Journalisten machen gute Arbeit. Aber es muss sich jeder bewusst sein, dass gerade im öffentlich-rechtlichen eine besondere Art von Sorgfalt an den Tag zu legen ist, weil auch mit viel öffentlichem Geld finanziert. Und es braucht innerhalb des ORF Binnenpluralität, damit es auch ein Konkurrenzverhältnis, einen Binnenwettbewerb gibt.

"Ich halte nichts davon, Journalisten Twitterverbot zu erteilen. Natürlich ist das Teil des Arbeitsalltags. Es ist eine Aufgabe des ORF, konzernintern Regeln dafür aufzustellen": Gernot Blümel über "verschärfte Transparenzbestimmungen".
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STANDARD: Und da gibt es noch Nachholbedarf – sonst müssten Sie es ja nicht ins Regierungsprogramm schreiben?

Blümel: Für die Zukunft ist es wichtig, diese Binnenpluralität erhalten zu können. Im digitalen Raum wird es immer schwieriger, weil Google und Facebook das ganze Geld abziehen. Da stellt sich die Frage, kann man den Pluralismus in der österreichischen Medienlandschaft aufrechterhalten? Dazu ist das Bekenntnis da.

STANDARD: Konkret steht im ORF-Kapitel des Regierungsprogramms, dass "verschärfte Transparenzbestimmungen" objektive und unabhängige Berichterstattung sichern sollen. Was ist damit gemeint?

Blümel: Zum Beispiel Twitter: Es gab immer wieder die Idee von klareren Regeln innerhalb des ORF, wie damit umzugehen ist. Es gibt da in vielen Bereichen viel Gutes. Aber man muss sich bewusst sein, dass das schon Beachtung findet.

STANDARD: Das meint, ORF-Mitarbeiter twittern auch mal über die Grenzen des öffentlich-rechtlich Vertretbaren hinaus?

Blümel: Das muss der ORF in sich bewerten. Ich halte nichts davon, Journalisten Twitterverbot zu erteilen. Natürlich ist das Teil des Arbeitsalltags. Es ist eine Aufgabe des ORF, konzernintern Regeln dafür aufzustellen.

STANDARD: Das heißt, diese Transparenzbestimmungen im Regierungsprogramm meinen eine ORF-interne Regelung und kein Gesetz oder eine Verordnung?

Blümel: Im ganzen Kapitel geht es um die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Das hat sehr viel mit dem ORF zu tun …

STANDARD: … und mit dem ORF-Gesetz …

Blümel: … und mit dem ORF-Gesetz. Darüber wollen wir auch bei der geplanten Medienenquete im Frühjahr diskutieren. Ich halte es für relevant, dass das mitbedacht wird.

STANDARD: Also noch keine Festlegung, ob die Transparenzbestimmungen ins Gesetz kommen.

Blümel: Nein.

STANDARD: Sie beklagten schon mehrfach, dass Medienpolitik in Österreich sehr rasch auf ORF-Personaldebatten hinausläuft. Wer das größte österreichische Medienunternehmen wie führt, scheint mir aber doch ein recht wesentlicher Punkt. Stimmt es, dass es im ORF künftig statt eines Alleingeschäftsführers einen Vorstand mit drei oder vier Mitgliedern geben soll? Und wenn ja, warum?

Blümel: Wenn das jetzt schon fix wäre, könnten wir das sagen und bräuchten keine Enquete machen. Die richtige Art des Führungsgremiums für einen Konzern mit einer Milliarde Euro Umsatz ist eine lange Debatte. Der ganze Bereich ist für ganz Österreich von entscheidender Bedeutung. Es gibt aber bisher keinen ordentlichen Diskurs über Medienpolitik. Deshalb haben wir uns auf die Medienenquete geeinigt – die diesmal auch wirklich kommt.

STANDARD: Aus dem Hinweis auf den Milliardenumsatz kann man eine Präferenz für einen Vorstand herauslesen, in den Größenordnungen sind Alleingeschäftsführer eher selten.

Blümel: Ich sage nicht, dass alles bleiben muss, wie es ist. Es gibt da verschiedene Modelle. Was bei der Enquete herauskommt, kann ich noch nicht sagen – sonst bräuchten wir sie nicht machen.

STANDARD: Die Regierung hat sich eine gemeinsame digitale Plattform von ORF und Privaten vorgenommen, etwa für die Onlinewerbevermarktung. Was kann man sich darunter vorstellen?

Blümel: Das ist eine grundsätzliche Idee, es gibt kein fixes Konzept. Das gibt es auch international noch nicht. Die große medienpolitische Aufgabe lautet: Auch in zehn oder 15 Jahren muss es im digitalen Raum österreichische Identität, österreichische Information, Pluralität österreichischer Medien geben. Die Werbevolumina gehen runter in den Printmedien, im linearen Fernsehen, und sie gehen rauf im digitalen Bereich. Da gibt es aber keinen österreichischen Medienkonzern, der sich da am Markt gegen Google und Facebook behaupten kann.

STANDARD: Vielleicht von der Größe her am ehesten der ORF.

Blümel: Das würde ich nicht mit "am Markt" beschreiben.

STANDARD: Was tut die Regierung mit der Situation?

Blümel: Hier muss die große Zukunftsrolle des ORF liegen. Früher war die Aufgabe des Öffentlich-Rechlichen, möglichst alle Menschen mit Information zu versorgen. Die holt sich heute jeder über sein Smartphone. Was ist die Aufgabe heute? Der Anspruch muss sein, dass es eine breite österreichische Medienlandschaft gibt, in der möglichst viele Menschen mit qualitativ hochwertigen Inhalten erreicht werden, und das in Zusammenarbeit mit den Privaten. Der ORF muss sich zu einem Partner der Privaten weiterentwickeln, und das Gegnerdenken innerhalb von Österreich muss endlich abgestellt werden.

STANDARD: Hoffentlich hört das nicht die Wettbewerbsbehörde.

Blümel: Davor hätte ich nicht so viel Angst. Im digitalen Bereich muss der Markt als deutschsprachiger Markt definiert werden. Auch wenn man einen Teil der österreichischen Medienkonzerne zusammenspannt, ist das noch immer keine marktbeherrschende Stellung. Das ist die große Herausforderung, alles andere ist Schrebergartenpolitik. Der ORF sollte mit seiner Größe und Reichweite ein Schuhlöffel sein für private Marktteilnehmer, die österreichische Inhalte produzieren, österreichische Information. Seine Reichweite auch zur Verfügung zu stellen, um gemeinsam im digitalen Raum langfristig zu überleben.

STANDARD: Wie soll das konkret gehen?

Blümel: Die Idee ist da beispielsweise eine gemeinsame Vermarktungsplattform, um mit der gemeinsamen Reichweite eine wettbewerbsfähige Position gegenüber Google und Facebook zu bekommen. Der ORF muss nicht alles behalten dürfen, was er dort verdient. Schließlich bekommt er auch viel Gebührengeld. Also könnte er digitale Werbeeinnahmen an Plattformteilnehmer als Digitalförderung ausschütten.

STANDARD: Das bezieht sich alles allein auf den digitalen Bereich, also internetbasiert, nicht Fernsehen, nicht Radio?

Blümel: Ich halte das für den großen, relevanten Bereich. Digital ist ein Metamedium, alle Mediengattungen in einem Medium.

STANDARD: Wie ist das mit den österreichischen Inhalten, für die Sie ja eine möglichst hohe Reichweite erzielen wollen? Finde ich dann private Inhalte auch auf ORF-Plattformen?

Blümel: Dazu muss man erst klären: Was ist diese Plattform? Eine Vermarktungsgemeinschaft oder eine echte gemeinsame Österreich-Plattform? Man muss sich anschauen, ob das möglich ist, wer will das, was kostet das – und was ist politisch machbar?

STANDARD: Aber Sie fänden eine solche weitergehende Österreich-Plattform aller oder vieler österreichischer Medien sinnvoll und wünschenswert?

Blümel: Das ist eine Möglichkeit. Ich bin Medienpolitiker und setze mich jetzt mit Experten und Marktteilnehmern zusammen, was machbar ist. Es gibt kaum internationale Vergleichsmärkte – eine entwickelte Demokratie mit einem so großen Öffentlich-Rechtlichen, einer großen Zeitungsvielfalt, andererseits im digitalen Bereich so wenige marktfähige Player. Ziel ist: österreichische Identität und Pluralität im digitalen Raum sicherzustellen.

STANDARD: ProSiebenSat1.Puls4-Chef Markus Breitenecker entwickelt zum Thema gerade eine Wundertüte von der gemeinsamen Vermarktung, gemeinsamem Bezahlsystem für Pay-Inhalte, eine Österreich-Plattform für den europäischen Raum bis hin zur Suchmaschine und einer Social-Media-Plattform. Was halten Sie von der "Media-Alliance"?

Blümel: Visionär, anstrebenswert. Aber ob und wie das umsetzbar ist, weiß ich noch nicht. Die große Vision ist, dass Österreich auch künftig im digitalen Raum existiert. Österreichs große Identitätsklammer war ja lange Zeit österreichische Inhalte über den ORF. Was ist denn die mediale Klammer einer Region, wenn es nicht auch eine gemeinsame mediale Identität gibt?

"Die Idee ist, dass die Privaten einen Vorteil aus der Reichweite des ORF haben. Unter der Voraussetzung sollte man das dem ORF erlauben. Nicht, wenn er die Möglichkeiten in Konkurrenz zu den Privaten nutzt. Aber viele dieser Beschränkungen sind definitiv nicht mehr zeitgemäß": Gernot Blümel über Onlinebeschränkungen des ORF.
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STANDARD: Wäre Markus Breitenecker womöglich ein wünschenswerter ORF-General?

Blümel: Ich habe mich noch nie an Personalspekulationen beteiligt und werde das auch künftig nicht tun.

STANDARD: Wer hat auf einer solchen großen Österreich-Plattform eigentlich das redaktionelle Sagen?

Blümel: Gute Frage. Darauf gibt es noch keine Antwort – ich weiß ja noch nicht einmal, ob es diese Plattform geben wird, wie sie aussehen wird, wie sie bespielt wird.

STANDARD: Zeithorizont für eine solche Plattform?

Blümel: Das ist ein gänzlich neues Projekt, das kann schon eine Zeitlang dauern. Aber es ist ein sehr lohnendes Projekt.

STANDARD: Aber ein neues ORF-Gesetz muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Bisher darf der ORF vieles davon nicht.

Blümel: Die Möglichkeiten müssen gesetzlich verankert werden. Das kann man gut tun, wenn man den öffentlich-rechtlichen Auftrag dahingehend weiterentwickelt, dass der ORF zum Partner der österreichischen Privaten werden muss.

STANDARD: Der ORF soll nach Ihren Worten – mit Blick auf diese Plattform mit Privaten – praktisch alles dürfen in der digitalen Welt. Heißt das, alle Onlinebeschränkungen über Bord werfen? Also der auf sieben Tage beschränkte Zugriff auf Onlinevideos, genaue Vorprüfung neuer Onlineangebote, keine eigenständigen Apps, Geo-Targeting von Werbung, Werbelimits, 80 Regionalmeldungen pro Landesstudio pro Woche, nur Überblicksberichterstattung, strenge Forenbeschränkung …? Alles mit einem Strich weg?

Blümel: Die Entwicklung soll nur dann in die Richtung gehen, dem ORF mehr in die Richtung zu ermöglichen, wenn er gleichzeitig ein Partner der Privaten ist. Die Idee ist, dass die Privaten einen Vorteil aus der Reichweite des ORF haben. Unter der Voraussetzung sollte man das dem ORF erlauben. Nicht, wenn er die Möglichkeiten in Konkurrenz zu den Privaten nutzt. Aber viele dieser Beschränkungen sind definitiv nicht mehr zeitgemäß.

STANDARD: FPÖ-Stiftungsrat und Regierungsverhandler Norbert Steger hat zuletzt eine interessante Interpretation des Regierungsprogramms geliefert. Dort steht: kein Verkauf von ORF-Programmen. Steger sagt: Das heißt nicht, dass es alle ORF-Kanäle weiterhin gibt. Er sagt, öffentlich-rechtliche Inhalte müssten in den Hauptprogrammen des ORF zu finden sein. Heißt das: ORF-3-Inhalte auf ORF 1 oder ORF 2, und ORF 3 lassen?

Blümel: Ich bin froh, dass wir uns geeinigt haben, dass es keinen Sinn macht, den ORF zu filetieren. Damit würden wir ihm auch die Möglichkeit nehmen, in Zukunft ein Steigbügelhalter für Private im digitalen Raum zu sein. Wichtig ist das auch, weil: Öffentlich-rechtliche Inhalte müssen auch gesehen werden. Reichweite ist auch Relevanz. Deshalb ist eine gewisse Diversifizierung der Kanäle notwendig. Es ist bekannt und auch dem ORF bewusst, dass es auf ORF 1 mehr öffentlich-rechtliche Inhalte geben muss. Ich gehe davon aus, dass die Äußerung in diese Richtung gemeint war.

STANDARD: Und noch kein Grund zur Sorge um ORF 3?

Blümel: Die relevante Frage ist: Wie wird der öffentlich-rechtliche Auftrag künftig definiert, für jeden Kanal einzeln oder wie bisher für das gesamte Programm? Dafür soll die Medienenquete wesentliche Erkenntnisse liefern. Das ORF-Management muss dann den öffentlich-rechtlichen Auftrag organisieren und entscheiden, ob mit vier Kanälen oder weniger. Das ist eine Frage des Managements und nicht der Politik.

STANDARD: Derzeit gibt es einen Auftrag der Politik, im ORF-Gesetz, für einen Sport- und einen Info- und Kulturkanal. Das kann man nicht ganz dem Management überlassen.

Blümel: Stimmt. Aber es ist eine strategische Frage, ob man ein öffentlich-rechtliches Gesamtprogramm oder in jeder Sparte definiert.

STANDARD: Die größtmöglichen Reichweiten für österreichische Inhalte – die Sie als Ziel definieren – bekommen Sie im ORF, wie er heute da steht. Mehr Zuschauer für Altach und die Frauennationalmannschaft als für Austria Wien, Red Bull Salzburg und AC Milan in Puls 4. Unter den 50 meistgesehenen Sendungen zur Nationalratswahl waren drei private.

Blümel: Stimmt. Aber bei den Wahlsendungen hat sich auch gezeigt, dass die Konkurrenz der Privaten befruchtend für den ORF ist. Das hat dazu geführt, dass noch mehr Leute diese öffentlich-rechtlich relevanten Inhalte sehen. Wenn sie dann gemeinsam etwa bei Wahlsendungen arbeiten, dann geht das in die richtige Richtung.

STANDARD: Wären gemeinsame Wahlsendungen von ORF und Privaten ein Wunsch – statt des Parallelmarathons wie 2017?

Blümel: Als Politiker würde ich mir wünschen, dass sich die Privaten und der ORF da finden. Das ist aber keine Entscheidung, die die Politik zu treffen hat.

STANDARD: Michael Häupl hat sie schon einmal getroffen – indem er nur zu einer Konfrontation bereit war.

Blümel: Ich würde mir mehr Kooperation wünschen. Spannend finde ich: Die doch große Fülle von Konfrontationen scheint nicht zu einer Politikverdrossenheit geführt zu haben, wenn man sich das Publikumsinteresse ansieht.

STANDARD: Wie geht es denn mit den GIS-Gebühren weiter? Der ORF hat das Problem, dass die Gebühren am Begriff Rundfunk hängen – und Streaming daher vorerst gebührenfrei ist.

Blümel: Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Steuer- und Abgabenquote Richtung 40 Prozent zu senken. Das werden wir konsequent durchziehen. Eine Rundfunkabgabe für alle Haushalte wird es also nicht geben. Und: Es wird für alle Bereiche eher weniger als mehr werden. Eine Haushaltsabgabe ist also auszuschließen. Alle anderen Fragen sollten offen diskutiert werden, auch in der Medienenquete. Ich kann nicht sagen, in welche Richtung das gehen wird.

"Das Einzige, was vom Tisch ist, ist die Haushaltsabgabe. Alle anderen Varianten sollten diskutiert und evaluiert werden. Ich kann noch nicht sagen, wie das ausgeht. Insgesamt sollen die Gebührenzahler entlastet werden und zugleich der Öffentlich-Rechtliche als reichweitenstarker und relevanter Player erhalten werden, damit er etwas für die Privaten leisten kann": Blümel über GIS-Gebühren.
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STANDARD: Ist die Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget vom Tisch? Die ÖVP soll das in den Verhandlungen über das Medienkapitel vorgeschlagen haben, die FPÖ hätte sich quergelegt.

Blümel: Das Einzige, was vom Tisch ist, ist die Haushaltsabgabe. Alle anderen Varianten sollten diskutiert und evaluiert werden. Ich kann noch nicht sagen, wie das ausgeht. Insgesamt sollen die Gebührenzahler entlastet werden und zugleich der Öffentlich-Rechtliche als reichweitenstarker und relevanter Player erhalten werden, damit er etwas für die Privaten leisten kann. Das klingt nach Quadratur des Kreises, ich glaube aber, es ist machbar. Und wir sollten das offen diskutieren.

STANDARD: Die Budgetfinanzierung wäre doch nur ein optischer Unterschied: Das Bundesbudget finanziert sich auch zu wesentlichen Teilen aus Steuern und Abgaben.

Blümel: Nur wenn es irgendwo anders eine Steuererhöhung gäbe. Uns geht es um eine Entlastung und die Senkung der Steuer- und Abgabenquote.

STANDARD: Es muss sich nur unter dem Strich ausgehen. Kommt die Budgetfinanzierung, dann entfallen auch die 150 Millionen, die sieben Bundesländer bisher als Abgaben auf die GIS-Gebühren einheben. Was sagen die Länder dazu?

Blümel: Das sind Was-wäre-wenn-Fragen.

STANDARD: Wenn wir schon beim Geld sind: Das Regierungsprogramm will in der Medienförderung digitalen Wandel unterstützen und journalistische Qualität. Da soll es nun ORF-Geld aus der Vermarktungsplattform geben – aber was passiert mit Presseförderung, Privatrundfunkförderung, Fernsehfonds und Co. Im Regierungsprogramm ist auch von Straffung die Rede?

Blümel: Es gibt unterschiedliche Organisationen, die da fördern. Wir schauen uns Möglichkeiten an, das zusammenzuführen und in der Administration besser zu werden, um mehr Geld für den Bereich freizumachen. Insgesamt viel mehr Geld wird es da wohl nicht geben. Wir wollen ja den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mehr im Börsel lassen und beim Staat sparen.

STANDARD: Viele der Förderungen vergeben die Medienbehörde KommAustria und ihr Geschäftsapparat RTR GmbH. Was hat man sich da unter der geplanten Neuordnung vorzustellen? Ich höre zum Beispiel, der Telekomteil der RTR könnte in eine neue Bundesnetzagentur kommen.

Blümel: Wir lassen gerade prüfen, ob und wo wo man Organisationseinheiten sinnvollerweise zusammenlegen könnte. Die KommAustria ist mit parlamentarischer Zweidrittelmehrheit eingerichtet.

STANDARD: Mit den Neos ginge sich die aus.

Blümel: Die Frage ist: Kann man verschiedene Kompetenzen auch zur KommAustria verlagern, etwa die Verwaltung verschiedener Förderungen. Solche und andere Ideen schauen wir uns an.

STANDARD: Die Mitglieder* der KommAustria müssen sich also nicht sorgen um ihre Funktionen?

Blümel: Es braucht sich prinzipiell niemand Sorgen machen.

STANDARD: Apropos: Wenn der ORF einen Vorstand statt eines Alleingeschäftsführers bekommen sollte, müssten die Vorstandsfunktionen wohl neu ausgeschrieben werden. Würden Sie sich wünschen, dass der amtierende ORF-Generaldirektor auch im neuen ORF-Vorstand sitzt?

Blümel: Ich wünsche mir eine gute Zukunft für den ORF.

STANDARD: Seit 2012 müssen tausende öffentliche Stellen, vom Bundeskanzleramt bis zu sämtlichen Abfallwirtschaftsgemeindeverbänden, ihre Werbeausgaben in Medien melden, die Medienbehörde veröffentlicht die Daten. Nun kündigt das Regierungsprogramm an, diese "Medientransparenz zu entbürokratisieren". Bedeutet das: weniger Daten, seltenerer Meldung, weniger Details?

Blümel: Nein! Das soll es auf jeden Fall weiterhin geben. Ich halte das für eine große Errungenschaft. Wir schauen uns das an, ob man das da und dort ausweitet.

STANDARD: Was bedeutet das? Weniger Ausnahmen?

Blümel: Das ist eine Möglichkeit. Bisher ist nicht jede Körperschaft umfasst. Wir suchen Verbesserungsmöglichkeiten und keinesfalls weniger Transparenz.

STANDARD: Öffentliche Stellen geben nach diversen Recherchen relativ mehr für Werbung aus als etwa deutsche. Kann und soll es da Beschränkungen geben?

Blümel: Ich halte die Transparenz für einen wesentlichen Punkt. Es soll klar auf dem Tisch liegen, wohin das Geld fließt.

STANDARD: Ist es sinnvoll, mit den höchsten Budgets Medien zu unterstützen, die nicht unbedingt für die Förderung des niveauvollen politischen Diskurses bekannt sind?

Blümel: Die Debatte ist innerhalb der Medienmacher zu führen, wer da welchen Beitrag leistet. Kriterium muss sein, dass es Sinn macht zu werben – also Reichweite, Umfeld. Ich würde als Medienpolitiker nicht so weit gehen, die Arbeit von Journalisten zu bewerten. Deshalb soll es ja selbstregulierende Gremien geben wie den Presserat.

STANDARD: Wäre die Beteiligung an solcher Selbstkontrolle nicht ein Kriterium für Förderungen und öffentliche Werbeaufträge? Für öffentliche Aufträge – etwa im Straßenbau – gibt es ja auch qualitative und etwa auch arbeitsrechtliche Mindestkriterien.

Blümel: Ich hielte es für einen extrem heiklen Zugang zu sagen: Man bekommt nur Geld, wenn man diese oder jene Bedingung erfüllt. Die Unabhängigkeit von Journalismus ist ein hohes Gut, die gehört bewahrt. Deshalb finde ich Selbstregulierungsmechanismen wie den Presserat sehr gut, das kommt aus der Community selbst heraus. Solche Peer-Review-Mechanismen taugen am ehesten dazu, Maßstäbe zu setzen. Da muss die Politik sehr vorsichtig sein.

STANDARD: Soll die "Wiener Zeitung" weiterhin als gedruckte Zeitung erscheinen, weiter im Besitz der Republik? Sie wollen die Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt abschaffen, die den größten Teil der Einnahmen der "Wiener Zeitung" ausmachen.

Blümel: Es ist allgemeiner Konsens, dass es keine sachliche Begründung gibt, warum Unternehmen dermaßen viel zahlen sollen für Veröffentlichungen im Amtsblatt der Republik. Das ist – unbestritten – nicht mehr zeitgemäß. Das Problem ist: Dadurch fällt die Finanzierungsgrundlage der "Wiener Zeitung" weg.

STANDARD: Was tun?

Blümel: Die Republik kann sich nicht eine eigene Zeitung zahlen und zugleich die Presseförderung nicht erhöhen. Andererseits kann man die "Wiener Zeitung" im Besitz der Republik auch nicht als Konkurrenz zu privaten Zeitungen führen. Das kann es auch nicht sein. Ich werde mit dem Aufsichtsratvorsitzenden Frank Hensel die Möglichkeiten diskutieren, und mit welchem Modell die "Wiener Zeitung" in Zukunft zu finanzieren ist.

STANDARD: Kann das auch eine rein digitale Fortführung sein?

Blümel: Auch möglich. Dafür müsste jedenfalls das Gesetz geändert werden – derzeit muss die "Wiener Zeitung" gedruckt und ausgeliefert werden. Zuerst muss man wissen, in welche Richtung es gehen soll. Ich bin gespannt auf die Vorschläge des Aufsichtsratsvorsitzenden. Das "Amtsblatt" könnte, zu einer Serviceeinheit weiterentwickelt, schon Sinn machen.

STANDARD: Das Regierungsprogramm will das Problem der arbeitsrechtlichen Einstufung von Zeitungszustellern lösen – da geht es darum: Sind das Auftragnehmer oder Dienstnehmer. Wie lösen Sie das?

Blümel: Der Zeitungsverband ist darüber in intensivem Austausch mit den Sozialpartnern. Wenn man sich auf dieser Ebene nicht einigt, braucht es eine gesetzliche Klarstellung. Da geht es insgesamt um über 100 Millionen Euro. Wir brauchen nicht über die Überlebensfähigkeit österreichischer Zeitungen in den nächsten zehn Jahren sprechen, wenn wir dieses Problem nicht lösen. Es kann nicht so sein, dass die Zeitungen 150 Millionen Euro zahlen müssen – dann gibt es einen Großteil davon nicht mehr. Mir wäre es recht, wenn es sozialpartnerschaftlich gelöst wird. Ist das nicht der Fall, werden wir es gesetzlich lösen. (Harald Fidler, 29.12.2017)