Im Innenministerium, damals geleitet von ÖVP-Minister Wolfgang Sobotka, hätten die Statistiken von Polizei und Justiz zusammengeführt werden sollen.

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Wien – Mehr Polizei, höhere Strafen, mehr Härte für jugendliche Täter – die Schwerpunkte der neuen Bundesregierung könnten vermuten lassen, dass die Kriminalität zunimmt und dies nach entsprechenden Maßnahmen verlangt. Aber wie unsicher lebt es sich in Österreich eigentlich? Nimmt die Zahl der Straftaten zu? Antworten auf diese Fragen liefert der Sicherheitsbericht der Bundesregierung, der jedes Jahr im Herbst erscheint.

Jedes Jahr? Nein: Im Herbst 2017 steckte Österreich mitten im Nationalratswahlkampf – und der Bericht blieb aus. Haben die beiden zuständigen Ministerien – Inneres und Justiz, beide in ÖVP-Hand – etwa die Publikation der Statistiken hinausgezögert, weil deren Aussagen nicht zur Wahlkampagne der ÖVP gepasst hätten?

Gemunkel

Bestätigung erhält man dafür keine. Hinter vorgehaltener Hand hört man aus dem Innenministerium, dass man dort bereit gewesen sei, den Bericht zu verabschieden, doch das Spiegelressort unter Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) habe sich quergelegt. Das wiederum bezweifeln Stimmen im Verteidigungsministerium, die den Ball bei Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sehen.

Die Statistik könnte jedenfalls nicht gar so gut in die Wahlkampflinie der ÖVP gepasst haben. Wie die Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, am Freitag bekanntgab, ist die Zahl der Strafanzeigen insgesamt gesunken. Und das von einem bereits vergleichsweise niedrigen Niveau aus: Schon im Jahr 2015 zeigten die Kriminalitätszahlen einen Zehn-Jahres-Tiefstand.

Weniger Gewaltdelikte

Rückläufig waren die Anzeigen auch in einem Bereich, den die ÖVP zu einem zentralen Wahlkampfthema machte: Gewalt gegen Frauen und Kinder. Zur Erinnerung: Mit der Ankündigung, solche Straftaten härter zu bestrafen, war ÖVP-Chef Sebastian Kurz Anfang August in den Wahlkampf gegangen. Laut Kardeis befinde sich Österreich im Bereich der Gewaltkriminalität auch heuer "auf einem vergleichsweise guten Niveau".

Im Justizministerium, das sich bei der Endredaktion des Berichts mit dem Innenressort abwechselt, heißt es, dieses Jahr seien die Beamten in der Herrengasse für die Endabwicklung zuständig gewesen, man wisse daher nicht, was mit den Zahlen geschehen sei. Im Innenministerium wiederum heißt es, dass es 2017 gar keinen Bericht geben konnte, weil der Innenausschuss des Parlaments nach der Sommerpause nicht mehr tagte.

Kein Beschluss

Allerdings lag der Flaschenhals gar nicht im Nationalrat. Denn das Parlament ist nur Empfänger des Berichts, verabschiedet wird er von der Bundesregierung per Beschluss im Ministerrat. Und einen solchen Beschluss hat es im Jahr 2017 nicht gegeben.

Traditionell landet der Bericht im Juli im Ministerrat. Das sei diesmal nicht geschehen, weil die letzten Sitzungen des Gremiums nur noch "extrem wichtigen" Themen vorbehalten waren, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Ein Blick auf die Tagesordnung der Juli-Sitzung zeigt aber: Für den Kunst- und Kulturbericht 2016 war ebenso Platz wie für einen Bericht betreffend die Österreichisch-Tschechische Grenzgewässerkommission.

Aufgeschoben ist aber auch hier nicht aufgehoben: Laut Kardeis ist die Veröffentlichung des Berichts für voraussichtlich März geplant. (Maria Sterkl, 30.12.2017)