Für Familien- und Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß ist eine Frauenquote nur in bestimmten Bereichen sinnvoll. "Die Frauenquote macht überall dort Sinn, wo Frauen unterrepräsentiert sind", erklärt sie im STANDARD-Interview. Um Frauen zu entlasten, möchte sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern und ein besseres Betreuungsangebot schaffen. Sie kann sich auch einen Rechtsanspruch auf einen Papa-Monat vorstellen, zunächst will sie aber das Regierungsprogramm abarbeiten.

Juliane Bogner-Strauß verteidigt den von der Regierung geplanten Familienbonus. Es gebe keine Gefahr, dass Frauen dann zu Hause bleiben.
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STANDARD: Im Regierungsprogramm steht: "Die Familie als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft." Teilen Sie diese Definition?

Bogner-Strauß: Das ist nicht so definiert. Es heißt, Familie ist dort, wo Kinder sind.

STANDARD: Doch, es steht gleich zu Beginn, unter "Unsere Prinzipien".

Bogner-Strauß: Für mich ist Familie dort, wo Kinder sind.

STANDARD: Ihre Vorgängerin Sophie Karmasin wollte Unternehmen familienfreundlicher gestalten. Wie kann das gelingen?

Bogner-Strauß: An der TU Graz gab es einen überbetrieblichen Kindergarten und Kinderbetreuung. Das ist mir zugutegekommen, ich konnte meine Kinder schon mit einem Jahr in die Betreuung geben. Wir müssen überbetriebliche Kindergärten fördern, damit Frauen, ohne lange Wege, ihre Kinder gut betreut wissen.

STANDARD: Schmerzt es Sie, dass in Oberösterreich im Zuge des Sparpakets die Nachmittagskinderbetreuung kostenpflichtig wird?

Bogner-Strauß: Die Kinderbetreuung ist bundesländerabhängig. Natürlich wäre es gut, wenn Kinderbetreuung weniger kosten würde und wenn in allen Ländern dieselben Regeln gelten würden. Aber da muss man einen Konsens mit den Ländern finden. Ich komme aus der Steiermark, ich musste immer für die Kinderbetreuung zahlen.

STANDARD: Das ist für Besserverdiener leichter zu bewältigen als beispielsweise für Alleinerziehende.

Bogner-Strauß: In meinen Anfangsjahren an der Universität habe ich nicht zu den Besserverdienern gezählt. Ganz ehrlich: Wissenschaft ist ein hartes Brot. Ich habe mich mit Jahresverträgen durchgehangelt.

STANDARD: Wie kann man Familien entgegenkommen, mit einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz?

Bogner-Strauß: Wir sollten hier einen Schritt nach dem anderen gehen. Wir haben bei den unter Dreijährigen eine Betreuungsquote von 20 Prozent. Zuerst müssen wir das Angebot erhöhen, erst dann können wir über einen Rechtsanspruch reden.

STANDARD: In Österreich ist es immer noch die Regel, dass Frauen in Karenz gehen. Wie können mehr Männer dazu animiert werden?

Bogner-Strauß: Wir müssen das Bewusstsein schaffen, damit es auch mehr Akzeptanz gibt. Eigentlich ist es ja irrelevant, ob der Mann oder die Frau nicht in die Firma geht. Es ist für beide Elternteile ein Nachteil, für eine gewisse Zeit im Arbeitsleben zu fehlen. Es gibt jetzt schon unterschiedliche Betreuungsmodelle, damit Männer zumindest einen Teil der Karenz übernehmen.

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STANDARD: Sie haben selbst drei Kinder. Haben Sie sich die Karenzen mit Ihrem Mann aufgeteilt?

Bogner-Strauß: Ich habe nach dem Mutterschutz wieder Teilzeit gearbeitet. Mein Mann konnte immer gewisse Stunden am Tag übernehmen, weil er flexible Arbeitszeiten hatte und viel von zu Hause aus gearbeitet hat. Das habe ich auch gemacht, das ist in der Wissenschaft gut möglich. Wir machen prinzipiell halbe-halbe.

STANDARD: Sind Sie für einen Rechtsanspruch auf einen Papa-Monat?

Bogner-Strauß: Jetzt möchte ich zuerst einmal das Regierungsprogramm abarbeiten, aber es ist für mich vorstellbar.

STANDARD: Sie sind Mutter und Wissenschafterin. Wurden Sie jemals als Rabenmutter bezeichnet?

Bogner-Strauß: Natürlich gab es Vorbehalte, ich komme vom Land. Aber bei Rabenmutter muss ich immer daran denken, dass Raben unglaublich gute Vogeleltern sind. Ich habe versucht, die Dinge nicht zu durchmischen. Ich bin nie arbeitend neben den spielenden Kindern gesessen. Zu Hause war ich immer die Supermama.

STANDARD: 50 Prozent aller Frauen arbeiten Teilzeit, obwohl Frauen Männer bei Uni-Abschlüssen längst überholt haben. Wie wollen Sie hier gegensteuern?

Bogner-Strauß: Natürlich die Kinderbetreuungssituation verbessern, qualitativ und quantitativ; und vor allem flexible Möglichkeiten schaffen, damit Frauen mehr Stunden arbeiten können.

STANDARD: Wirtschaftsforscher sehen beim Familienbonus den Anreiz verloren, dass Frauen arbeiten gehen. Die Absetzbarkeit der Betreuungskosten wäre sinnvoller.

Bogner-Strauß: Der Familienbonus ist für steuerzahlende Eltern gedacht. Wir haben ja auch eine Steuersenkung angekündigt. Ich verstehe nicht, warum der Anreiz zum Nichtarbeiten gegeben sein sollte. Wenn man arbeitet, zahlt man auch Steuern, wenn man ein gewisses Level erreicht, zahlt man Lohnsteuer und kann den Familienbonus in Anspruch nehmen.

STANDARD: Doch es reicht dabei, wenn einer – in den meisten Fällen der Mann – diese Einkommensklasse erreicht, um den Familienbonus in Anspruch zu nehmen.

Bogner-Strauß: Natürlich, es reicht, wenn eine Person das verdient – egal, wie die Familie zusammengesetzt ist. Ich sehe trotzdem darin nicht die Gefahr, dass die Frau dann zu Hause bleiben würde.

STANDARD: Ab 1. Jänner gilt eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte von Großunternehmen. Ist es sinnvoll, die Quote auch für die Führungs- und Managementebene einzuführen?

Bogner-Strauß: Ich komme von der Technischen Universität, dort gibt es eine Frauenquote und auch viele Unterstützungen für Frauen in der Technik. Die Frauenquote macht überall dort Sinn, wo Frauen unterrepräsentiert sind.

STANDARD: Also eine Ausweitung nur für spezielle Branchen?

Bogner-Strauß: Genau, gerade in technischen Gebieten gibt es wenige Frauen. Das beginnt schon beim Studium, Maschinenbau studieren kaum Frauen. Deshalb muss man die Frauenquote nicht auf alle Ebenen herunterbrechen, sondern schrittweise angehen. In manchen Branchen ist der Frauenanteil sehr ausgeglichen.

"Der Familienbonus ist für steuerzahlende Eltern gedacht. Wir haben auch eine Steuersenkung angekündigt. Ich verstehe nicht, warum Anreiz zum Nichtarbeiten gegeben sein sollte", findet die Ministerin.
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STANDARD: Aktuell wird nur bei 19 Prozent der Unternehmen die nun in Kraft tretende Quote eingehalten. Es gibt auch Schlupflöcher, diese zu umgehen. Muss hier nachgebessert werden?

Bogner-Strauß: Das muss man sich im Detail anschauen. Zuerst muss das Gesetz in Kraft treten, dann müssen wir schauen, ob noch Handlungsbedarf besteht, und die Spielräume schließen.

STANDARD: In den vergangenen Wochen haben viele Frauen im Zuge der #MeToo-Debatte ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung geteilt. Was kann man daraus lernen, damit es gar nicht so weit kommt?

Bogner-Strauß: Es ist bereits durch #MeToo zu einer Bewusstseinsschärfung gekommen, auch wenn man kaum glauben kann, dass es im Jahr 2017 noch eine solche Debatte braucht. Aber anscheinend ist das immer noch notwendig. (Marie-Theres Egyed, 29.12.2017)