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Brachiale Parolen, wenig Inhalt, keine Ideologie: Italiens Protestpolitiker Beppe Grillo

Foto: REUTERS/Guglielmo Mangiapane

London/Wien – Europas politische Landschaft erlebt ihren größten Wandel seit dem Ende des Kalten Krieges – aber nicht unbedingt zum Besseren. Denn die Politik populistischer Prägung dürfte mehr als bisher zum bestimmenden Faktor werden – und das stelle eine Gefahr für die Zukunft der Demokratie dar. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer Studie des Tony Blair Institute for Global Change in London. Die vom britischen Ex-Premier (1997 bis 2007) ins Leben gerufene Non-Profit-Organisation rechnet damit, dass der Höhepunkt der Welle noch nicht erreicht ist.

Nach den Wahlerfolgen der vergangenen Jahre – etwa in Ungarn oder in Polen – seien rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Politiker 2017 zwar nicht immer zum Zug gekommen, schildert der Report und verweist auf die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich, wo im Frühjahr Geert Wilders und Marine Le Pen Niederlagen einstecken mussten; das bedeute aber keineswegs, dass der Trend gebrochen sei. Im Gegenteil: Schon im Herbst hatten sie in Österreich wieder Erfolg: Die FPÖ wurde Regierungspartner von Sebastian Kurz (ÖVP).

Die Studienautoren begehen nicht den Fehler, alles Populistische reflexhaft dem rechten Lager zuzuschreiben, sondern nennen auch explizit Beispiele auf der linken Seite des Spektrums – etwa die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien. Tatsächlich operiert die Protestpartei des ehemaligen TV-Stars und Komikers Beppe Grillo mit dem massiven Einsatz populistischer Methoden, ideologisch gibt man sich allerdings sehr flexibel. Selbst charakterisiert sich die Bewegung oft als "postideologisch", also offenbar weder rechts noch links – oder beides, falls nötig.

Szenarien 2018 und 2019

Parteien wie jener Grillos oder – doch wieder ganz am rechten Rand – dem Vlaams Belang räumt die Blair-Studie große Chancen bei den jeweiligen Wahlen am 4. März 2018 in Italien und 2019 in Belgien ein. Dann finden auch wieder Wahlen für das Europaparlament statt.

Sollten diese Gruppierungen Erfolg haben, würde die Methode brachialer populistischer Politik wohl auf längere Zeit zum "neuen Normalfall" für Europa. Das könne weitreichende Folgen haben und sogar zur "radikalen Transformation der Politik" führen, warnen die Autoren. Und das gebe Anlass zur Sorge: Schwächung oder gar Abschaffung internationaler Organisationen, protektionistische Wirtschaftspolitik, rigide Immigrations- und Asylpolitik, Betonung der jeweils eigenen nationalen Identität, Infragestellung demokratischer Normen.

Ein Ende des Trends ist noch nicht in Sicht, meint Studienchef Yascha Mounk. Seit 2000 habe sich die Zahl der europäischen Regierungen mit Beteiligung populistischer Parteien auf 14 verdoppelt und ihre Zustimmung bei den Wählern sogar fast verdreifacht. Gegenstrategien müssten vielerorts erst gefunden werden. (Gianluca Wallisch, 30.12.2017)