Demonstrant gegen Wertekurse beim Maiaufmarsch der SPÖ 2017

Foto: Robert Newald

Linz – Die Sorge, ob es gelingt, die Integration ausländischer Mitbürger in Österreich zu verbessern, hat die Sorgen bezüglich des sozialen Ausgleichs zwischen Armen und Reichen als Top-Thema verdrängt. Das geht aus der aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD hervor.

Auf die konkretere Frage, was die heimischen Wahlberechtigten für das neue Jahr erwarten, sagen nur 25 Prozent, dass es gelingen werde, "Zuwanderer in die österreichische Gesellschaft zu integrieren". Diese Erwartungshaltung hat gegenüber den Vorjahren stark abgenommen. In der Umfrage zum Jahreswechsel 2016/17 hatten noch 37 Prozent gemeint, die Integration von Zuwanderern würde gelingen.

Opposition hat am ehesten Hoffnung

Die positive Integrationserwartung ist am ehesten bei den verbliebenen Anhängern der Grünen, der Neos und in deutlich geringerem Maß bei SPÖ-Wählern festzumachen. Von den FPÖ-Wählern sagen dagegen 91 Prozent ausdrücklich, dass die Integration von Zuwanderern nicht gelingen wird. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Jene, die die neue Regierung positiv finden, können sich am wenigsten vorstellen, dass Integration gelingen kann."

Die Frage, ob sich die Integration ausländischer Mitbürger in Österreich verbessern wird, beschäftigt die Österreicherinnen und Österreichern derzeit am meisten: 37 Prozent betrachten das Thema mit großer Sorge, 46 Prozent mit etwas Sorge und nur 18 Prozent geben zu Protokoll, da überhaupt keine Sorge zu haben.

Als beinahe gleich wichtig gilt die Frage, ob die Kluft zwischen Reich und Arm in Österreich nicht größer wird – das macht 34 Prozent große und 49 Prozent etwas Sorge. Hier ist die Erwartung, dass es einen sozialen Ausgleich geben wird, noch geringer: Nur elf Prozent der Befragten erwarten hier eine Verbesserung im laufenden Jahr. Allerdings ist dies eine Verbesserung gegenüber der Umfrage zum letzten Jahreswechsel, damals erwarteten nur fünf Prozent, dass die Kluft kleiner würde.

Geringe Erwartungen

Während 67 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten erwarten, dass es 2018 allgemein wirtschaftlich aufwärts gehen werde, sagen das konkret auf die österreichische Wirtschaft bezogen nur 39 Prozent.

Und auf die Frage, wie sich die eigene wirtschaftliche Lage, die eigene finanzielle Situation entwickeln werde, sagen nur noch 19 Prozent, dass sie da eine Verbesserung erwarten. 62 Prozent meinen, dass es ihnen in diesem Jahr etwa gleich gehen werde wie im vorigen, und 16 Prozent erwarten sogar eine Verschlechterung. Eine Verbesserung der eigenen finanziellen Situation wird von Befragten unter 30 etwa dreimal so oft erwartet wie von Befragten über 50. Besonders skeptisch hinsichtlich der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung sind SPÖ-Wähler.

63 Prozent Optimisten

Dennoch: 63 Prozent der Österreicher sehen den kommenden zwei bis drei Monaten mit Optimismus und Zuversicht entgegen, nur 27 Prozent deklarieren sich als Pessimisten. Das ist eine nicht untypische Stimmungslage zum Jahreswechsel, weiß Market-Institutschef David Pfarrhofer.

Interessant werde es aber, wenn man dies in Vergleich dazu setzt, wie die Menschen sich im Vergleich zu anderen EU-Bürgern sehen. Im Auftrag des STANDARD fragte Market daher, wie die österreichischen Wahlberechtigten ihre Lebenschancen in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten der EU wahrnehmen. Die Grafik zeigt: 49 Prozent meinen, dass sie es als Österreicher besser getroffen haben, nur sieben Prozent glauben, dass es anderswo besser wäre.

Die 49 Prozent, die in Österreich relativ bessere Chancen sehen, müssen aber mit jenem Wert verglichen werden, den dieselbe Frage im Jahr 2013 bei der Bildung der Regierung Faymann/Spindelegger ergeben hat. Jener Regierung wurde viel weniger zugetraut als der jetzigen türkis-blauen Koalition, aber die Befragten haben damals noch mit einer 61-Prozent-Mehrheit gemeint, dass es in Österreich besser laufe als in anderen EU-Staaten.

Vergleich mit Deutschland

Im Verlauf der vergangenen Jahre ist der Wert aber gesunken, im Dezember 2016 lag er bei 45 Prozent. Pfarrhofer: "Die leichte Erholung dieser Einschätzung wird in sehr hohem Maß von Wählern der ÖVP, zunehmend aber auch von Freiheitlichen getragen, die bisher eher gemeint haben, dass es bei uns bestenfalls gleich gut, wenn nicht gar schlechter laufe als anderswo." Zur Verdeutlichung fragte Market auch nach dem Vergleich mit Deutschland: Hier sagen 36 Prozent, dass es hierzulande bessere Chancen gebe – und das wird in besonders hohem Maß, nämlich von 45 Prozent, von Freiheitlichen behauptet.

Pfarrhofer: "Gerade für FPÖ-Anhänger hat Deutschland die Vorbildfunktion verloren – im freiheitlichen Lager wird Deutschland ja weniger wegen seiner wirtschaftlichen Stärke als wegen der Aufnahme vieler Migranten aus muslimischen Ländern wahrgenommen." Auffallend ist auch, dass seit der Umfrage zum Jahreswechsel 2016/17 signifikante sieben Prozent die Österreicher in einer besseren Position wähnen als die Deutschen, während die Einschätzung, dass die Lebenschancen hierzulande schlechter wären, von 13 auf zehn Prozent gesunken sind.

Die größten Sorgen

Wie wichtig das Ausländerthema nach wie vor in der österreichischen Politik ist, zeigt ein Blick auf die größten Sorgen der Befragten. DER STANDARD ließ fragen: "Es gibt ja Bereiche, bei denen man der Zukunft mit Sorge entgegenblickt. Bitte geben Sie zu jedem Bereich an, ob Sie da dem kommenden Jahr 2018 mit großer Sorge entgegenblicken, mit etwas Sorge oder ohne Sorge."

  • "Ob sich die Integration von ausländischen Mitbürgern in Österreich verbessern wird", hat sich mit 37 Prozent "großer" und weiteren 46 Prozent "etwas Sorge" an den ersten Platz der Probleme vorgeschoben. Zum Vergleich: Am Beginn der Ära Gusenbauer 2007 waren es 27 und 43 Prozent, am Beginn der Ära Faymann II 2013 nur 25 und 40 Prozent. Besonders Wähler der FPÖ (49 Prozent) und der ÖVP (43 Prozent) haben hier "große Sorge", Wähler der Oppositionsparteien geben überdurchschnittlich oft an, nur "etwas Sorge" zu haben.
  • "Ob die Kluft zwischen Reich und Arm in Österreich nicht größer wird", ist mit 34 Prozent "großer" und 46 Prozent "etwas Sorge" fast gleichauf – in früheren Jahren war dieses Thema (zuletzt 2013 mit 44 plus 44 Prozent) einsamer Spitzenreiter der Umfrage zum Jahreswechsel. Nur elf Prozent rechnen (in anderer Fragestellung) damit, dass diese Kluft kleiner wird.
  • Deutlich gesunken ist die Sorge im dritthäufigst genannten Bereich, nämlich "ob es zu Verschlechterungen bei der sozialen Absicherungen in Österreich kommt", was 29 Prozent (2013: 36 Prozent) "große Sorge" und 52 Prozent (2013: 49 Prozent) "etwas Sorge" macht. Die einzige Gruppe, die sich hier in großem Umfang besorgt zeigt, ist die Wählerschaft der SPÖ. Ähnlich sieht es bei der konkreteren Fragestellung nach möglichen Verschlechterungen bei den Pensionen aus. Als besonders empfindlich in Fragen des Sozialsystems zeigt sich übrigens die Alterskohorte zwischen 30 und 50 Jahren, was Pfarrhofer so interpretiert: "Jüngere denken noch kaum an soziale Absicherung – und wer schon nahe an der Pension ist oder selber schon Pension bezieht, der weiß, dass es in Österreich lange Übergangszeiten gibt."

Was das Jahr bringen wird

In einer anderen Fragestellung wurde erhoben, was die Österreicher von 2018 erwarten. Außenpolitisch sind die häufigsten Erwartungen, dass in der EU rechte Parteien wie der Front National stärker werden (63 Prozent), dass Amerikas Rolle in der Welt schwächer wird (54 Prozent) und dass die Terrororganisation IS zurückgedrängt wird: Das sagen jetzt 44 Prozent, vor einem Jahr meinten das erst 37 Prozent. Allerdings rechnen 26 Prozent damit, dass es 2018 einen Terroranschlag in Österreich geben könnte.

Innenpolitisch ist die häufigstgenannte Erwartung, dass die neue Regierung besser zusammenarbeiten wird als die vorherige (70 Prozent), dass es wirtschaftlich aufwärts gehen wird (67 Prozent) und dass die Arbeitslosenquote sinken wird (50 Prozent). (Conrad Seidl, 2.1.2018)