Phil Taylor verabschiedet sich.

Foto: APA/AFP/Akmen

Ein würdiger Weltmeister: Rob Cross.

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Cross war die Demontage der Ikone sichtlich unangenehm.

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London – Es war eine kurze Phase, in der die Zuschauer an das Märchen, an das kitschige Ende einer Ära glauben durften. Der 16-fache Champion Phil Taylor verkürzte im WM-Finale gegen Rob Cross auf 1:3 in Sätzen. Taylor, die Darts-Legende, ließ sich feiern und spielte in der Folge beinah ein perfektes Leg.

Einen Neundarter – also 501 Punkte mit neun Würfen auf null zu bringen – bei einer Weltmeisterschaft hatte Taylor in seiner einzigartigen Karriere noch nie geschafft. Bei seinem letzten Auftritt im Alexandra Palace warf Taylor zu Beginn des fünften Satzes acht perfekte Darts. Der neunte Pfeil aber verfehlte um Haaresbreite das Doppel-zwölf-Feld.

Es war wohl der entscheidende Moment des Matches. Taylor hätte zur Aufholjagd ansetzen können, stattdessen verlor er Leg und Satz. "The Power" hatte nichts mehr entgegenzusetzen. Am Ende musste er sich mit 2:7 geschlagen geben. Selten fielen WM-Endspiele so deutlich aus.

Keine Chance gegen Cross

Taylor nahm es nicht schwer. "Das war mein Leben über 30 Jahre lang. Ich habe noch einmal alles versucht und das Finale erreicht. Ich bin froh, wie es gelaufen ist", sagte der 57-jährige Engländer. Während der Partie hatte er immer wieder mit dem Publikum gescherzt. Schon das Erreichen des Endspiels bei seinem letzten Turnier der PDC-Profi-Tour war eine große Sache. Bis zum Schluss gehörte Taylor zu den weltbesten Dartspielern, er war Fünfter der Weltrangliste. Aber gegen Cross war am Montagabend kein Kraut gewachsen.

"Er ist so, wie ich vor 25 Jahren war. Er opfert sich für diesen Sport", sagte Taylor über Cross. "Ich mag ihn sehr gerne." Cross zeigte in seinem ersten großen Finale keine Schwächen, beeindruckte mit seiner Treffsicherheit – vor allem beim Wurf auf die Doppelfelder am Ende der Legs. Mit drei Darts kam Cross im Schnitt auf respektable 107,41 Punkte, bei Taylor waren es 102,26.

Cross, der ehemalige Elektriker

Auch Cross’ Geschichte ist irgendwie märchenhaft. Der 27-jährige ehemalige Elektriker aus Edenbridge in Kent – Beiname "Voltage" – spielte 2017 sein erstes Jahr auf der PDC-Tour und erzielte achtbare Resultate. Sein Durchmarsch bei der WM, vor allem sein Halbfinalsieg gegen den Weltranglisten-Ersten Michael van Gerwen (Niederlande) kam aber doch überraschend. Cross ist der erste Spieler seit dem Niederländer Raymond van Barneveld (2007), der die WM bei seinem Debüt gewann.

Auch Taylor schaffte dieses Kunststück – 1990, im Jahr in dem Cross geboren wurde. Als der Engländer als Weltmeister feststand, machte er keine großen Siegesgesten. "Vor 15 Jahren war es mein Traum, gegen diesen Mann zu spielen", sagte Cross. "Es ist phänomenal." Er ließ seinem Vorbild noch einmal die Siegestrophäe heben.

Taylor, der den Dartsport groß gemacht hat, nahm ein Stück Papier, schrieb zweimal "Thank you" darauf und hielt es in Richtung Publikum. Das Lied "Viva La Vida" von Coldplay, das sich Taylor als Abschiedssong gewünscht hatte, wurde gespielt. "I used to rule the World" heißt es darin. Taylor sang, tanzte. Und ging ab. (rie, sid, 2.1.2018)