Stockholm – Ein Experiment von Forschern des Karolinska-Instituts in Stockholm zeigte, dass wir gewissermaßen ein Auge für Krankheiten haben. Menschen können oft sogar schon auf einem Foto erkennen, ob der Abgebildete krank ist.

Das Team um den Neurowissenschafter und Schlafforscher John Axelsson vermutet dahinter eine evolutionär entwickelte Fähigkeit: Gerade mit Blick auf ansteckende Krankheiten wäre diese Fähigkeit ein enormer biologischer Vorteil. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt "Proceedings B" der britischen Royal Society veröffentlicht.

Das Experiment

Die Versuchsanordnung klingt leicht makaber: Die Forscher injizierten Probanden ein Coli-Bakterium, das eine Entzündungsreaktion hervorrief. Eine Kontrollgruppe bekam Placebo gespritzt. Zwei Stunden nach der Injektion wurden Fotos von den Testpersonen gemacht. Eine weitere Probandengruppe hatte daraufhin wenige Sekunden Zeit, um zu beantworten, ob die Abgebildeten krank oder gesund sind. Tatsächlich erkannten die Testpersonen 81 Prozent der Erkrankten, was der Studie zufolge gegen Zufallstreffer spricht.

Doch die Forscher interessierte auch, welche Hinweise aus den Fotos genau zu den Diagnosen führten. In einer zweiten Sichtungsrunde wurden daher bestimmte Krankheitsmerkmale, die sich im Gesicht ablesen lassen, abgefragt. Dazu gehörten blasse Lippen, bleiche Gesichtsfarbe, fleckige oder glänzende Haut, hängende Mundwinkel, Schwellungen oder rote Augen. Mit Ausnahme der fleckigen oder glänzenden Haut waren alle diese Merkmale Faktoren, um eine kranke Person zu erkennen.

Warum man müde Menschen meidet

Doch die Forscher weisen auch darauf hin, dass diese rein visuelle Spontan-Analyse fehleranfällig sein kann. So könnten traurige oder müde Gesichter im Zweifelsfall auch krank wirken. Tatsächlich deckt sich diese Theorie mit anderen Studien, die ergeben haben, dass müde Menschen öfter sozial gemieden werden. Auch die häufige Stigmatisierung sichtbarer Behinderungen folge aus übermäßigen Krankheitsvermeidungsmechanismen, wie die Autoren der Studie schreiben.

Nichtsdestotrotz gebe ihre Arbeit Anstöße, weiter zu erforschen, wie kranke Mitmenschen erkannt werden. So sei zu vermuten, dass dies besser gelinge, wenn zum Beispiel auch Körpergerüche oder Bewegungen beobachtet werden können. Zudem wäre zu prüfen, ob man diese Fähigkeit auch üben kann. Die Autoren schließen: "Künftige Studien sollten untersuchen, inwiefern sich Gesichtsausdrücke, die eine Krankheit bedeuten, mit denen grundlegender menschlicher Emotionen wie Sorge oder Angst überschneiden und wie schnell Menschen bei ihren Mitmenschen nach Anzeichen von Krankheiten suchen." (APA, red, 3. 1. 2018)