Im Nationalrat wirkt sich die Fragmentierung unseres Parteiensystems so aus, dass es mehr kleinere Fraktionen gibt, die die parlamentarische Arbeit auf sehr wenige Schultern verteilen müssen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Eine der unsinnigsten Forderungen in der politischen Debatte ist das Ansinnen, Institutionen wie den Nationalrat oder die Bundesregierung zu verkleinern. Die schöne Regelmäßigkeit, mit der solche Ideen lanciert werden, lässt vermuten, dass sich die Urheber der Popularität ihrer Forderung gewiss sind. Dennoch: Wir brauchen eher mehr denn weniger Politiker. Denn Anforderungen an die Politik sind stark gestiegen. Als Resultat benötigt die Politik – wie andere Branchen auch – ein angemessenes Level an Spezialisierung und Arbeitsteilung.

Ein Grund dafür ist, dass der technologische Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen dazu führen, dass ständig neue – und oft extrem komplexe – Themen auf die politische Tagesordnung kommen, ohne dass alte in demselben Ausmaß verschwinden würden. Vor 50 Jahren etwa waren Umweltschutz, Zuwanderung, Digitalisierung, Gentechnik oder europäische Integration bestenfalls Nischenthemen. Heute stehen sie im Zentrum der politischen Debatte.

Viel Zeit für EU-Ministerräte

Für Regierungsmitglieder gilt außerdem, dass Minister seit dem EU-Beitritt nicht nur als nationale Exekutive fungieren, sondern im Rahmen des EU-Ministerrats auch an der europäischen Gesetzgebung mitwirken. Das bedeutet einen enormen Mehraufwand an Zeit und Arbeit. Beispielsweise fallen die Zuständigkeiten von Nachhaltigkeits- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in vier verschiedene Konfigurationen des EU-Ministerrats, die im ersten Halbjahr 2018 allein zu 23 Treffen zusammenkommen.

Im Nationalrat wiederum wirkt sich die Fragmentierung unseres Parteiensystems so aus, dass es mehr kleinere Fraktionen gibt, die die parlamentarische Arbeit auf sehr wenige Schultern verteilen müssen. Wenn dann zum normalen Tagesgeschäft noch Untersuchungsausschüsse hinzukommen, für die Millionen Aktenseiten an Material vorliegen, dann stoßen gerade kleine Fraktionen schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Ganz abgesehen davon, dass das Parlament bei gesetzgeberischen Vorhaben noch nie mit den personellen Ressourcen der Ministerien Schritt halten konnte.

Zahl der Minister nicht hoch

Angesichts dieser Entwicklungen könnte sich gerade ein Land wie Österreich mehr Politiker auf Bundesebene leisten (zugegeben, auf Landesebene ist das Argument schwieriger zu machen). Weder ist unser Parlament im internationalen Vergleich aufgebläht, noch ist die Zahl der Minister besonders hoch. Die Grafik unten zeigt sogar, dass Österreich in Westeuropa vergleichsweise kleine Regierungen hat. Nur Island und Luxemburg haben im langfristigen Durchschnitt weniger Minister.

Nun könnte man einwenden, dass mehr Politiker mehr Geld kosten und daher nicht gerade im Sinne eines sparsamen Staatswesens sind. Allerdings entstehen diese Kosten ohnehin – sie verlagern sich einfach nur in weniger sichtbare Bereiche. Stark anwachsende Ministerkabinette und hohe Ausgaben für externe Beratungsleistungen sind nur zwei Beispiele dafür.

Wem also ein sparsamer Politikapparat ein Anliegen ist, der sollte sein Augenmerk auf diese Bereiche legen – oder vielleicht auf Österreichs 40.000 Gemeinderäte und die tausenden gewählten Vertreter in den Kammern. Die Bundespolitik ist hingegen der falsche Ort zum Einsparen von Politikern. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 3.1.2017)