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Spendabel: Ein Wolf-Rayet-Stern versorgt seine Umgebung laufend mit mächtigen Sternwinden und Materialströmen.
Illustration: REUTERS/David Aguilar

Chicago – Wie die Geburt unseres Sonnensystems aussah, ist nach wie vor Gegenstand vieler offener Fragen. Man ist sich nur – in eher abstrakter Weise – bezüglich des allgemeinen Ablaufs sicher: Vor etwa 4,6 Milliarden Jahren verdichtete sich eine Ansammlung von interstellarem Gas und Staub so sehr, dass sich in ihrem Zentrum ein Protostern bildete. Der nahm zunächst weitere Materie auf, kontrahierte anschließend und begann nach einigen Dutzend Millionen Jahren schließlich mit der Kernfusion: Die Sonne hatte gezündet.

Ungeklärt ist hingegen, wo in der Milchstraße dies stattgefunden hat. Dazu gehört auch die Frage nach den Geschwistern der Sonne: Sterne entstehen meist in Gruppen, die bis zu einige tausend Mitglieder haben können. Allerdings zerstreuen sich solche Ansammlungen im Verlauf der Zeit. 2014 sorgten US-amerikanische und chilenische Astronomen für Aufsehen, als sie berichteten, dass möglicherweise erstmals ein Geschwisterstern der Sonne identifiziert werden konnte – immerhin bereits 110 Lichtjahre von uns entfernt.

Kräftig aufgemischt

Ein anderer offener Punkt ist jener Faktor, der eine friedlich vor sich hinschwebende Gas- und Staubwolke stark genug aufmischt, dass sich die Dynamik von Verdichtung und Kollaps in Gang setzt. Supernovae werden dafür gerne als Ursache herangezogen. Forscher der Universität Chicaco schlagen nun aber einen anderen Kandidaten vor, nämlich einen Wolf-Rayet-Stern.

Wolf-Rayet-Sterne haben einige monströse Qualitäten. Sie erreichen Oberflächentemperaturen bis zu 120.000 Kelvin (zum Vergleich: bei der Sonne sind es knapp 6.000) und die bis zu 265-fache Masse der Sonne. Dabei war ihre Masse ursprünglich sogar noch größer: Im Grunde handelt es sich bei ihnen "nur" noch um freigelegte Kerne. Ihre Wasserstoffhülle haben sie abgestoßen, in ihrem Inneren verbrennen sie Helium und noch schwerere Elemente. Mit starken Sternwinden stoßen sie laufend gigantische Mengen Material ab.

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Auszug aus der Simulation der Chicagoer Forscher: Ein Wolf-Rayet-Stern von 40 bis 50 Sonnenmassen schickt mächtige Sternwinde aus, in denen sich Blasen bilden.
Illustration: V. Dwarkadas/D. Rosenberg

Und hier setzt das Modell der Chicagoer Forscher um Nicolas Dauphas an. Demzufolge pflügen die Sternenwinde förmlich durch die Gas- und Staubmassen der kosmischen Umgebung und führen zur Bildung blasenförmiger Strukturen mit relativ dichter "Schale". Solche Schalen wären lauft Dauphas ideale Orte, um den oben genannten Prozess von Verdichtung und Kollaps von Gas- und Staubmassen in Gang zu setzen. Dem Modell zufolge könnten bis zu 16 Prozent der sonnenähnlichen Sterne in einer solchen Umgebung entstehen.

Natürlich haben sich die Forscher ihre Idee nicht völlig aus dem Vakuum gefischt, sie glauben ein wichtiges Indiz für ihre Hypothese in der Hand zu haben. Und zwar geht es dabei um die Verteilung von zwei Isotopen, die in unserem gerade erst entstehenden Sonnensystem von der in der umgebenden Galaxis abwich. Aluminium-26 war überdurchschnittlich stark vertreten, wie die Analyse von Meteoriten aus der Frühzeit des Sonnensystems zeigte. Umgekehrt hatte Dauphas bereits vor zwei Jahren festgestellt, dass an Eisen-60 ein Mangel bestand.

Supernovae, so Dauphas, produzieren beide Isotope – Wolf-Rayet-Sterne hingegen nur das Aluminium. Es wäre also wahrscheinlicher, dass ein solcher Stern unserem Sonnensystem zur Geburt verholfen hat als eine Supernova, bei der irgendein unbekannter Faktor eines der beiden Isotope erst hätte ausfiltern müssen.

Ungeklärtes Schicksal

Auch diese – hypothetische – Antwort hinterlässt aber eine offene Frage: nämlich was genau aus dem kolossalen Geburtshelfer geworden ist. Laut den Forschern muss er jedenfalls längst den Tod erlitten haben. Entweder ist er zu einem Schwarzen Loch kollabiert oder nachträglich seinerseits zur Supernova geworden. (jdo, 6. 1. 2018)