Die neuen Minister sollen einander bei der Klausur besser kennenlernen.

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Kanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache wollen die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, deren Eltern in Österreich arbeiten, kürzen. Die EU-Kommission will das prüfen.

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Das meiste Geld fließt nach Ungarn.

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Außenministerin Karin Kneissl mit ihren Hunden Winston und Jackie im Rahmen der Klausur in Seggauberg.

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Wien/Seggauberg – Es ist deutlich zu spüren: Da weht ein schärferer Wind in dieser türkis-blauen Regierung. Die stimmige Kulisse ihrer ersten, zweitägigen Klausur im prachtvollen südsteirischen Bischofsschloss Seggau wird kurzerhand in einen Sicherheitstrakt umgewandelt, die zum Schlosshügel führende Straße von der Polizei gesperrt und eine strenge Personenkontrolle organisiert.

Nur akkreditierte Medienvertreter dürfen nach genauer Identifizierung weiterfahren. Vor dem Schloss eine neuerliche Kontrolle. Namensschilder gibt es nur nach abermaliger Vorlage des Presse- sowie eines Personalausweises. Die Regierungsmitglieder werden direkt in den Schlosshof gelotst und von den Medien abgeschirmt. In den Schlossgängen und -räumen waren weitere Sicherheitskräfte postiert.

Video von der Pressekonferenz vor Beginn der Klausur.
DER STANDARD

Vor Beginn der Regierungsklausur treten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) an vorbereitete Rednerpulte vor dem Medienzentrum. Beide verkünden ein "neues Miteinander", doch spätestens beim Thema der geplanten Änderung des Arbeitslosengeldes tauchen erste Bruchlinien zwischen FPÖ und ÖVP auf. Die neue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte bekräftigt, dass es nicht geplant sei, in Österreich das deutsche Modell Hartz IV einzuführen. Dies würde der Fall sein, wenn die Notstandshilfe durch die Mindestsicherung ersetzt wird. Dann würde nämlich auch auf Vermögenswerte (Bausparbuch, Auto etc.) der Betroffenen zurückgegriffen. So ganz klar ist das mittlerweile aber nicht mehr.

Kanzler Kurz unterstrich zwar zum Klausurauftakt, dass nicht an Hartz IV gedacht sei, er verwies dabei auf das Regierungsprogramm. Demnach sollen jene, die mehr Beitragsjahre aufweisen, auch länger vom Arbeitslosengeld profitieren. Die Notstandshilfe werde aber verändert. Was natürlich die Spekulation nährt, dass über eine Hintertür doch die Mindestsicherung mit allen Konsequenzen als Ersatz eingeführt werden könnte. In Details wollte Kurz nicht gehen. Das "Arbeitslosengeld Neu" sei ein "großes Projekt, das braucht mehr Vorbereitungszeit als zwei Wochen".

Kindergeldkürzung

Einig ist sich Schwarz-Blau jedenfalls bei der Entlastung geringerer Einkommensbezieher durch eine Befreiung oder Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeträge. Davon würden jene mit einem Einkommen bis zu 1948 Euro brutto monatlich profitieren. In Summe würden 900.000 Menschen steuerlich entlastet werden, sagte Strache. Dies brächte jeden Betroffenen rund 300 Euro mehr im Jahr. Etwas spitz formuliert könnte man argumentieren, die Regierung holt sich das Geld für die steuerliche Entlastung von Beziehern niedriger Einkommen bei denen, die noch weniger haben. Jene Kosten für die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden jedenfalls durch die geplante Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebender Kinder einigermaßen aufgewogen.

"Endlich" werde mit der Reduktion der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben, mehr Gerechtigkeit eingeführt. "Ein solcher Beschluss war ja mit der SPÖ nie möglich. Wir sparen damit mehr als 100 Millionen Euro ein", sagte Kurz.

Es sei eine Unterhaltsleistung und "ungerecht", dass Kinder, die etwa in Ungarn oder Rumänien leben, so viel Geld an Familienunterstützung aus Österreich bekommen – wenn deren Elternteile hier arbeiten -, wie dort das Durchschnittseinkommen betrage.

Er sei sicher, dass Österreich damit nicht gegen EU-Recht verstoße. Kurz argumentierte, die Regierung verfüge über das eindeutige Gutachten des Arbeitsrechtlers Wolfgang Mazal, der derartige Bedenken der EU zerstreue.

Mazal hatte in diesem Zusammenhang in einem STANDARD-Gespräch betont, dass der Unterhalt bei im Ausland lebenden Kindern nach zivilrechtlicher Judikatur "im Verhältnis zur Kaufkraft im Wohnland des Kindes zu bemessen ist". Allerdings, und diesen Punkt sparten Kurz und Strache aus: Mazal stellte auch klar, dass "umgekehrt die Familienbeihilfe für Kinder, die in teureren Ländern leben, angehoben werden muss. Alles andere wäre diskriminierend." Jedenfalls reagierte die EU postwendend: "Wir werden die Gesetze auf ihre EU-Rechtskonformität prüfen", hieß es. (Walter Müller, 4.1.2018)