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Macron nach seiner ersten Neujahrsansprache.

Foto: Reuters/Pool

Emmanuel Macron dachte bei seinem Vorstoß natürlich an die letzten US-Wahlen, die ausländische Hacker über soziale Medien wie Facebook zu manipulieren versucht hatten. Doch der französische Präsident ist auch selbst ein gebranntes Kind: Im Präsidentschaftswahlkampf des letzten Jahres in Paris wurde ihm etwa unterstellt, er sei homosexuell und mit dem obersten TV-Intendanten Frankreichs liiert.

Beim Neujahrsempfang für die Presse gab Macron am Mittwochabend bekannt, dass er dem Parlament ein Gesetz gegen Fake-News präsentieren will. Damit solle die Demokratie als Ganzes gegen "illiberale Versuchungen" geschützt werden, meinte der Staatschef zur Begründung. Im letzten Frühjahr hatte er noch ausdrücklich russische Infokanäle wie RT und Sputnik genannt; jetzt prangert er generell die "Lügenpropaganda einflussreicher Organe" und deren "gezielte Strategie" an.

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Das Gesetz hat drei Ansatzpunkte:

  • Zum einen soll es die Urheber der im Internet verbreiteten Informationen zur Offenlegung ihrer Identität zwingen. Die "erhöhte Transparenzpflicht in Wahlkampfzeiten" soll laut Macron namentlich klarmachen, wer hinter den bezahlten oder gesponserten Inhalten stehe.
  • Zum anderen soll die Löschung frei erfundener, gefälschter oder hetzerischer Meldungen möglich werden. Zuständig wäre die Justiz, wenn nötig im Eilverfahren. Die Richter sollen auch den Zugang zu Websites blockieren oder Nutzerkonten auflösen können.
  • Der Medienaufsichtsrat Conseil supérieur de l'audiovisuel (CSA) soll neue Kompetenzen erhalten, um die Eingriffe ausländischer Urheber einzudämmen. Macron fordert die Medien auf, darüber hinaus selbst berufsethische Regeln aufzustellen. Er lobte ausdrücklich den Versuch der Organisation Reporter ohne Grenzen, Websites aufgrund qualitativer Merkmale mit einem Gütesiegel zu kennzeichnen; das soll den Benutzern bei der Frage helfen, ob sie dem Anbieter trauen können. Fachleute halten ein solches Vorgehen für wirksamer als etwa den Versuch von Facebook, in Frankreich tausende von Konten zu schließen.

Die Reaktionen auf Macrons Vorstoß fielen am Donnerstag nicht nur positiv aus. La Quadrature du Net, eine Bürgervereinigung für Internetfreiheit, hält die verstärkte Justizkontrolle zwar für "technisch möglich", von einem ideologischen Standpunkt aus erscheine sie aber "überrissen oder von unbegrenzten Missbräuchen bedroht". Es sei bedenklich, "dass ein Richter das Wahre vom Falschen unterscheiden soll und allein damit eine Zensur anordnen kann", erklärte Verbandsjurist Arthur Messaud. "Die Frage ist doch: Wer stellt die Wahrheit her?"

Wohl wegen dieser Frage erhielt Macrons Vorstoß bei dem Neujahrsempfang nur verhaltenen Applaus der mehreren hundert Journalisten. Eine gewisse Skepsis war im Festsaal des Élysée-Palastes spürbar – und das nicht nur, weil Präsidialberaterin Sibeth Ndiaye im Wochenmagazin "L'Express" erklärt hatte, sie würde selbst nicht zögern zu "lügen", wenn dies zum Schutz des Staatschefs nötig wäre. Wie schon seine Vorgänger hatte Macron schon versucht, auf die Medienberichterstattung Einfluss nehmen, indem er bei einer Berufsreise nach Afrika die ihn begleitenden Journalisten auswählen wollte. Erst nach einem Protestschreiben der Medienverbände sah er davon ab.

Aus nicht unbedingt gleichen Motiven kritisierte am Donnerstag die Rechtsextremistin Marine Le Pen das Gesetzesprojekt. "Ist Frankreich immer noch eine Demokratie, wenn sie ihren Bürgern einen Maulkorb anlegt? Sehr beunruhigend", twitterte die im Frühjahr unterlegene Präsidentschaftskandidatin, die im Wahlkampf ohne jeden Beleg insinuiert hatte, Macron unterhalte ein Bankkonto auf den Bahamas. (Stefan Brändle aus Paris, 4.1.2018)