Illusion, Inszenierung und Montage auf Basis großen verspielten Handwerks – Eckpfeiler der Kunst von Lois Renner.

Foto: Salzburg-Museum

Salzburg – Wir malen ein Bild. Steht auf dem Bild. Von links unten bis in die obere Mitte zieht sich der Schriftzug "Wir malen ein Bild" auf Lois Renners Arbeit Wir malen ein Bild aus dem Jahr 1991. Es ist ein großformatiges Bild und misst fast zwei Meter auf anderthalb Meter und es zeigt – kein Bild. Es ist die C-Print-Fotografie einer fast das gesamte Bild einnehmenden lavaartigen Masse. So als habe der englische Bildhauer Anish Kapoor wieder einmal eine gewaltige Menge Vaseline tiefrot einfärben und in einen Atelierraum schütten lassen und darauf den Schriftzug drapiert.

Illusion und Trug, Inszenierung und Montage, Handwerk und zirzensisches Spiel: Das sind die virtuos gehandhabten Themen Renners. 1961 in Salzburg geboren und dort aufgewachsen, studierte er an der Musikhochschule Mozarteum. Von dort wechselte er an die Kunstakademie in Düsseldorf zu Gerhard Richter, jenem Maler, der so irritierend schwerelos zwischen Figuration und Abstraktion hin- und herzuwechseln versteht. Dabei lässt er nicht selten starke autobiografische Akzente einfließen, etwa das Schicksal seiner von den Nazis ermordeten Tante. Ab dem Jahr 2002 war Renner selbst für vier Jahre Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Der Modellbauer

Mit einer beeindruckenden Vierteljahrhundertkondition unterläuft der heute abwechselnd in Wien und in Salzburg lebende Fotokünstler Erwartungen, vor allem aber Genrekonventionen. Denn er baut Modelle. Er setzt in diese eigene Ölbilder ein, durchzogen von vielen historischen Anspielungen. Davon macht er dann Fotografien, die riesigen Abzüge hängt er rahmenlos an die Wand. Und in allem taucht er selbst wie auch Autobiografisches mehr als nur dezent auf.

Während direkt auf dem Mozartplatz große und kleine Schlittschuhläufer große und kleine Kurven auf der eigens angelegten Eisfläche ziehen, zieht Lois Renner großformatige Kurven auf seinen dort im Salzburg-Museum ausgestellten Arbeiten aus den vergangenen zwanzig Jahren.

Kurvenfahrten durch die Kunstgeschichte: Beispielsweise auf Heliogabalus, neben Frühling (Makart), mit drei Meter auf 5,4 Meter noch um einen knappen Meter breiter, und, da 2017 entstanden, eine von zwei ganz neuen Arbeiten in der Schau. Heliogabalus beginnt oben mit einem üppigen Blumenhimmel in Kokoschka-Manier, der dann die Anmutung einer Windhose mit schmalem, nach unten führendem Rüssel annimmt.

Die Bildpartie sieht aus wie eine Parodie einer Jeff-Koons-Parodie – um in der Predella dann in Tod und Schönheit zu vergehen. Und dies wortwörtlich. Denn so wie einst beim römischen Kaiser Heliogabal (Elagabal) – er war legendär für seine Dekadenz – Festgäste erstickten, da er in einen ganzen Saal den Atem raubende Blüten pumpen ließ, so liegen bei Renner Schönheiten im Blumenregen, halb lasziv und auch halb hinüber. Dass dabei nicht alles optisch sinnig aufgeht und als Surprise funktioniert, liegt fast auf der Hand. So ist Lois und der Faun etwas banal geraten.

Hier kombiniert er eine leicht beschädigte Kopie des Barberinischen Fauns mit einer Gewichthebeapparatur, um fast perfekte Physis zu konfrontieren mit der eigenen, die im Hintergrund als gemaltes Porträt zu sehen ist. Auch Wolf Dietrich, ein C-Print, bei dem er einen Festzug auf der Staatsbrücke zeigt, ist eigentlich doch wenig zwingend.

Das Irreale

Je länger man allerdings Renners beste kunstreiche Kunstechoarrangements detailliert studiert, desto labyrinthischer werden sie. Und dabei umso irrealer. So zieht Bibi aus dem Jahr 2014 Bibliophile auf der Stelle an. Warum? Weil auf dem zwölf Quadratmeter großen C-Print eine ganze Bibliothek in Leder gebundener Miniaturbücher zu sehen ist. Davor sind zwei Tische zu sehen, die ebenfalls mit Büchern, Papier und einem Laptop belegt sind, während darüber ein barockes Deckengemälde sichtbar wird.

Im rechten Drittel erweitert sich der Raum, man sieht – was sonst? – Renners Schlagzeug. Aber da bleiben eine Menge Fragen: Wie verläuft die zurückspringende Wand? Kann das sein? Und wie balancieren im rechten Bücherregal die mittleren Bücher auf dem unteren, scheinbar großformatigen Wissenschaftsband?

Sehen ist womöglich Lesen

Wie tief reicht dieses Buch eigentlich? Ist das möglich? Und sind die Bände tatsächlich lesbar? Oder ist lesbar nur das Bild im Ganzen? Ist die Kulisse schließlich Schein, ist das Sehen Lesen, das Lesen Sehen? Wie viele Knoten im Augenmuskel zieht dieser visuelle Irrteppich zusammen? Im Freien ist man dann kurz davor, Salzburg für eine einzige Bilderfindung Lois Renners zu halten. Geht man durch eine reale Stadt? Oder ist die auch von Lois Renner in seinem Atelier in der Schönbrunner Straße in Wien nachgebaut, fotografiert und an den Mönchsberg gelehnt worden? (Alexander Kluy, 7.1.2018)