Bild nicht mehr verfügbar.

Michail Saakaschwili wird in Kiew vorgeworfen, dass er Geld vom ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch angenommen habe, um einen Staatsstreich durchzuführen.

Foto: AP/Efrem Lukatsky

Neue Probleme für Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili: Das Stadtgericht von Tiflis hat den 50-Jährigen wegen Machtmissbrauchs zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Dem einstigen "Rosenrevolutionär" wird vorgeworfen, 2008 in seiner Funktion als Präsident "unter Umgehung einer Amnestiekommission" vier Offiziere des georgischen Innenministeriums begnadigt zu haben, die zuvor wegen Mordes an dem Bankier Sandro Girgwliani verurteilt worden waren.

Der Mord hatte 2006 einen gewaltigen politischen Skandal in Georgien ausgelöst: Als Auftraggeber wurden ranghohe Offiziere des Innenministeriums vermutet, mit denen sich Girgwliani kurz zuvor in einer Bar gestritten hatte. Die Opposition forderte den Rücktritt von Innenminister Wano Merabischwili, der jedoch von Präsident Saakaschwili abgelehnt wurde.

Im Endergebnis wurden nur die vier Auftragsmörder verurteilt, ohne die Hintermänner zu belangen – und auch diese kamen durch Saakaschwilis Intervention schnell wieder frei. Nach dem Ende von Saakaschwilis zweiter Amtszeit wurden daher Untersuchungen wegen Behinderung der Mordermittlungen eingeleitet.

"Präsident hat Begnadigungsrecht"

Das jetzige Urteil ist das Resultat dieser Ermittlungen. Saakaschwilis Anwälte hatten vor Gericht argumentiert, der Präsident habe ein Begnadigungsrecht. Dieses sei jedoch nicht absolut, widersprach der Staatsanwalt Irakli Nadarejschwili: "Der Ex-Präsident wurde nicht wegen der Amnestie, sondern wegen Amtsmissbrauchs verurteilt, das sind zwei unterschiedliche Sachen", sagte er.

Formell ordnete das Gericht sogar vier Jahre Haft für Saakaschwili an, ein Jahr wurde – Ironie des Schicksals – ebenfalls aufgrund einer Amnestie erlassen. Gleichzeitig erhielt der georgisch-ukrainische Politiker ein eineinhalbjähriges Berufsverbot im Staatsdienst. Das Urteil hat keine unmittelbaren Auswirkungen für Saakaschwili, da er sich immer noch in der Ukraine aufhält. Allerdings vergrößert es für Saakaschwili das Risiko, wieder an seine alte Heimat ausgeliefert zu werden.

Unverzügliche Deportation möglich

Einen entsprechenden Kommentar lieferte bereits der Rada-Abgeordnete Igor Mosijtschuk von der populistischen Radikalen Partei: "Die Gerichtsentscheidung eröffnet alle juristischen Möglichkeiten für eine unverzügliche Deportation Saakaschwilis nach Georgien", sagte er. Saakaschwili, der von 2015 bis 2016 als Verbündeter des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko Gouverneur der Schwarzmeerregion Odessa war, ist auch in Kiew nicht mehr wohlgelitten. Poroschenko hat ihm die zwischenzeitlich verliehene ukrainische Staatsbürgerschaft inzwischen wieder entziehen lassen.

Saakaschwili wirft der politischen Führung Korruption vor und hat ihr einen weiteren Maidan angedroht. Die von ihm gegründete "Bewegung neuer Kräfte" hat mehrfach Protestaktionen im Kiewer Stadtzentrum organisiert, unter anderem auch ein Zeltlager auf dem Maidan. Saakaschwilis Anhänger sind auch schon mehrfach gewaltsam gegen ukrainische Sicherheitskräfte vorgegangen, unter anderem bei der Rückkehr Saakaschwilis in die Ukraine und bei dessen erster kurzzeitiger Festnahme.

Festnahme wegen Planung eines Staatsstreichs

Später wurde er trotzdem festgenommen. Der Vorwurf: Er habe angeblich Geld vom ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch angenommen, um einen Staatsstreich in der Ukraine durchzuführen. Saakaschwili weist die Anschuldigungen als politisch motiviert zurück und wurde zumindest von einem Kiewer Gericht für die Dauer der Ermittlungen auf freien Fuß gesetzt.

Im Streit um seine ukrainische Staatsangehörigkeit hatte er hingegen weniger Glück. In der ersten Instanz verlor er seine Klage gegen den Entzug. Am 11. Jänner kommt es zur Berufungsverhandlung. Gut möglich, dass die ukrainischen Behörden anschließend versuchen, ihn abzuschieben.

Saakaschwili und seine Anhänger

Ganz ohne Risiko ist das nicht: Saakaschwili ist zwar nicht der beliebteste Politiker in der Ukraine, aber die offensichtlich politisch motivierten Anschuldigungen gegen ihn haben eine Welle der Solidarität erzeugt. Vor Gericht erschien so auch Ex-Premier Julia Timoschenko, um ihn zu unterstützen. Und Saakaschwilis Anhänger haben bereits bewiesen, dass sie zu Konfrontationen mit den Sicherheitsorganen bereit sind. (André Ballin aus Moskau, 5.1.2018)