Wien – Das mit dem Namen dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben: Nein, die Festlichen Tage Alter Musik beschäftigen sich nicht mit Klingendem aus der Renaissance und der Barockzeit. Und mit den Resonanzen, Wiens traditionsreichem "Festival der Alten Musik", das Ende Jänner im Konzerthaus über die Bühne geht, hat die Festivität des Klangforum Wien auch nichts zu tun.

Der Name ist als charmante Irreführung zu verstehen, aber auch nicht nur: Sven Hartberger, der Intendant des renommierten Ensembles für gegenwartsnahe Musik, wollte damit auf den Widersinn hinweisen, Tonschöpfungen aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts beharrlich unter dem Begriff "Neue Musik" zu führen. Und er wollte mithilfe des Festivals Musik dieser Zeit den Fängen des Vergessens entreißen.

Die dritte Auflage der Festlichen Tage Alter Musik beginnt mit Porträtkonzerten: Im Klangforum-Haus in der Diehlgasse 51 wird an Gottfried von Einem (24.1.), Hans Erich Apostel (26.1.) und Karl Schiske (28.1.) erinnert, und mit ihnen auch an die Aufbruchszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Konzert im Mozart-Saal des Konzerthauses widmet sich den musikalischen Erschütterungswellen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Epizentrum Wien ausgingen (14.2.).

Europäische Rundschau

Die Wellen der Neuerung erreichten bald die Gestade der zwei Amerikas; Resonanzen der transatlantischen Tonschöpfer auf die Impulse aus Wien erklingen im Schubert-Saal des Konzerthauses (17.2.). Eine Woche danach wird an selber Stelle eine bunte europäische Rundschau akustischer Art unternommen, von Finnland über Großbritannien und Deutschland bis nach Kroatien (24.2.). Im Wien Museum am Karlsplatz wird an die Voix Étouffées erinnert, an die Stimmen und Klänge von Komponisten, die durch das NS-Regime erstickt wurden: Der in die USA emigrierte Ernst Krenek wird in dieser Kategorie geführt (20.2.).

Die Programme wurden von Uli Fussenegger, dem Kontrabassisten des Klangforum Wien, zusammengestellt: ein "enormer Rechercheaufwand", wie Hartberger feststellt. Fussenegger präsentiert nicht nur die üblichen Verdächtigen dieser Zeit, sondern auch zahlreiche vergessene Randexistenzen des Musikschaffens.

Zeitgenössische Musik kein "Breitensport"

Sven Hartberger verantwortet die Festlichen Tage der Alten Musik in seiner Endzeit als Intendant des Klangforums Wien. Ist er eigentlich enttäuscht, dass die Neue Musik immer noch ein gesellschaftliches Nischendasein führt? "Zeitgenössische Musik war nie ein Breitensport", erklärt Hartberger. "Sie verlangt nach einer Hörerschaft, die Anstrengungen auf sich nimmt. Beim Bergsteigen ist es ja auch so: Der Lohn der Anstrengung ist höher, wenn man auf die Rax geht und nicht immer nur auf den Laaer Berg."

Ende 2019 wird Hartberger die Leitung des Ensembles in andere Hände geben. In wessen? Das entscheidet die Generalversammlung in dieser Woche. Den Nachfolger, die Nachfolgerin gibt Hartberger am 15. Jänner bekannt, im Rahmen des Konzerts des Klangforums im Konzerthaus. Bis dahin heißt es: neugierig sein. (Stefan Ender, 8.1.2018)