Emilie König beschäftigt Frankreichs Öffentlichkeit.

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Emilie bitte alle um Verzeihung, sagt ihre Mutter schluchzend einem Pariser TV-Sender. Die auf Abwege geratene Tochter wolle nur eins: nach Hause zurückkehren und sich vor der französischen Justiz verantworten. Derzeit befindet sich die 33-jährige Französin in einem Flüchtlingslager syrischer Kurden, die ihre Festnahme vergangene Woche bestätigt haben. Emilie König ist in Frankreich vielen ein Begriff: Die fünffache Mutter war die meistgesuchte französische IS-Kämpferin.

Noch vor wenigen Jahren hatte nichts auf diesen Werdegang hingedeutet. Das laut ihrer Mutter "anschmiegsame" Mädchen war in der Bretagne mit drei Geschwistern in einer katholischen Familie aufgewachsen. Gespannt war stets ihr Verhältnis zu ihrem Vater, einem Gendarmen, der die Familie früh verlassen hatte. Mit zwanzig kam die ausgebildete Verkäuferin durch einen algerischen Freund auf den Islam. Mit einem Mal zeigte sie sich nur noch im Ganzkörperschleier, der in Frankreich verboten ist. Emilie bezeichnete ihn als "zweite Haut" und provozierte damit die Behörden. Bekannte schilderten sie nun als "aggressiv, streitsüchtig, entschlossen".

Eine der ersten westlichen Frauen im Jihad

In Nantes suchte sie Kontakt zu Salafisten, nachdem ihr Freund wegen Drogenhandels und Gewaltausübung in Haft gekommen war. Ihre beiden ersten Kinder wurden ihr weggenommen und der Mutter anvertraut. 2012 gehörte König zu den ersten westlichen Frauen, die nach Syrien in den Jihad zogen. Videos zeigten sie im Nikab und mit Sturmgewehr. Als Frau nahm sie nicht an den Kampfhandlungen teil; umso aktiver warb sie in einem IS-Zentrum via Internet Französinnen an: Etwa 200 soll sie zur Reise nach Syrien überredet haben. Andere Frauen hielt sie zu Terroranschlägen auf Gattinnen französischer Soldaten an.

Nach der IS-Niederlage in der Stadt Raqqa wurde König von kurdischen Kämpfern aufgegriffen. Mit ihren drei neuen Kleinkindern – ihr letzter Gatte war in den Gefechten umgekommen – wurde sie in ein neues Lager unweit der Grenze zum Irak verlegt. Das ist deshalb von Belang, weil die syrischen Kurden die Todesstrafe nicht anwenden, die Iraker aber schon. Und die Grenzen sind dort momentan eher fließend.

Königs Pariser Anwalt sagte vor kurzem, seine Klientin halte sich der französischen Justiz zur Verfügung, ein Kurdenvertreter meinte, die Auslieferung hänge von Paris ab. Doch die Regierung zögert. Innenminister Gérard Collomb erklärte, dass der Irak ein "Rechtsstaat" sei und IS-Jihadisten durchaus den Prozess machen könne.

Bisher 66 Französinnen zurückgekehrt

Voriges Jahr hatte Präsident Emmanuel Macron noch erklärt, die Rechtslage werde "von Fall zu Fall" geprüft. Doch viele Politiker lehnen das ab. Selbst die Macron nahestehende Partei Agir ließ verlauten, Frankreich solle nicht um Königs Auslieferung ansuchen.

Sie ist kein Einzelfall: Männer sind bisher kaum aus Syrien zurückgekehrt – dafür laut Geheimdiensten 66 Französinnen. Ein Viertel wurde diskret inhaftiert, die übrigen stehen unter Justizkontrolle. Doch darüber spricht in Frankreich niemand gerne. (Stefan Brändle aus Paris, 7.1.2018)