FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache muss aufgrund einer Sozialreform, die für seine Wähler negative Auswirkungen hätte, nicht zwangsläufig um Stimmen fürchten.

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Kaum drei Wochen im Amt, muss sich die Bundesregierung schon mit ersten öffentlichen Meinungsverschiedenheiten herumschlagen. So musste die FPÖ-Sozialministerin ihre breitenwirksam erklärte Ablehnung einer zeitlichen Begrenzung des Arbeitslosengeldes nach einer Zurechtweisung des Bundeskanzlers relativieren.

Konkret geht es um die Frage, ob Personen, die lange Zeit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen (derzeit Arbeitslosengeld und Notstandshilfe), irgendwann in die Mindestsicherung fallen. Das würde in vielen Fällen Leistungskürzungen bedeuten, aber auch Zugriff auf das Vermögen und das Wegfallen von Pensionsversicherungszeiten.

Von der SPÖ wird dieses Ansinnen als Verrat der FPÖ an ihren Wählern bezeichnet. Und auch in den Meinungsspalten ist die Ansicht verbreitet, der FPÖ könnten – im Gegensatz zur ÖVP – Kürzungen für Arbeitslose wahlstrategisch schaden. Die Logik hinter dieser Argumentation ist simpel: Personen mit niedrigerer formaler Bildung haben ein deutlich höheres Arbeitslosigkeitsrisiko und wählen häufiger als andere Gruppen die FPÖ.

Dabei werden aber zwei Dinge übersehen: Zum einen ist die FPÖ besonders stark in der Gruppe der Personen mit Lehrabschluss, die – im Gegensatz zu Pflichtschulabsolventen – eine nur geringfügig höhere Arbeitslosenquote als etwa Maturanten und Akademiker aufweist.

Wichtiger aber noch ist die Erkenntnis, dass ökonomische Interessen (wie zum Beispiel höheres Arbeitslosigkeitsrisiko) sich nicht automatisch in politischen Ansichten niederschlagen. Wie in dieser Studie gezeigt wird (Open-Access-Version hier), sind etwa Einstellungen zum Sozialstaat nicht allein durch die eigene Einkommenssituation determiniert – sie hängen auch davon ab, wie man zu den Gruppen steht, denen Sozialleistungen zugutekommen.

Und hier wird es interessant. Wie Daten des European Social Survey 2016 zeigen, ist die Ansicht, dass die meisten Arbeitslosen sich nicht wirklich um einen neuen Job bemühen, bei Personen mit Pflichtschul- oder Lehrabschluss deutlich weiter verbreitet (47 Prozent) als bei Befragten mit Matura oder Hochschulabschluss (33 Prozent).

Wenig überraschend ist diese Wahrnehmung dann auch bei FPÖ-Sympathisanten am stärksten ausgeprägt (60 Prozent), bei Rot- und Schwarz-Anhängern mittelmäßig stark (je 41 Prozent) und bei Grün-Sympathisanten am geringsten (16 Prozent).

Wir sollten also vorsichtig sein, bevor wir von den objektiven ökonomischen Interessen bestimmter sozialer Gruppen auf deren subjektive politische Präferenzen schließen. Niedrigere formale Bildung korreliert zwar mit höherem Arbeitslosigkeitsrisiko, aber das heißt noch lange nicht, dass in dieser Gruppe der Widerstand gegen Kürzungen in der Arbeitslosenversicherung am stärksten ausgeprägt wäre. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 9.1.2018)