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In einer der Kanonen von Blackbeards Queen Anne's Revenge entdeckten Forscher Fragmente eines Buches.
Foto: AP/The Jacksonville Daily News, Chuck Beckley

Raleigh – Ein seltener Fund im Wrack der Queen Anne's Revenge, dem berühmten Flaggschiff des englischen Freibeuters Blackbeard aus dem frühen 18. Jahrhundert, liefert nun interessante Einblicke in die Lesegewohnheiten der damaligen Piraten. Wie sich wenig überraschend zeigte, mochten die Seeräuber – zumindest jene, die des Lesens mächtig waren – Geschichten über Entdeckungsfahrten auf hoher See.

Konservatoren haben im Rohr einer Schiffskanone der Queen Anne's Revenge winzige Papierschnipsel entdeckt, die sich bei näherer Begutachtung als Fragmente eines Buches entpuppten. Die Überreste gelten allein schon deshalb als herausragend, weil Papier einen Schiffsuntergang in der Regel nur selten überdauert, was für den Inhalt eines 300 Jahre alten Wracks umso mehr gilt.

Mitarbeiter des North Carolina Department of Natural and Cultural Resources (NCDNCR) haben die insgesamt 16 geborgenen Papierstückchen nun einer genauen Analyse unterzogen, um herauszufinden, zu welchem Dokument sie einst gehört haben könnten.

Kapitän Blackbeard auf einem Gemälde von Jean Leon Gerome Ferris (1920).
Foto: Archiv

Vor Beaufort auf Grund gelaufen

Als das ehemalige Handelsschiff Queen Anne's Revenge (zuvor La Concorde) im Mai 1718 vor der Küste von North Carolina aufgegeben werden musste, war es gerade einmal für sechs Monate in Piratenbesitz gewesen. Blackbeard, der mit bürgerlichem Namen Edward Thatch hieß, hatte das Schiff 1717 französischen Sklavenfrächtern abgenommen. Kurz vor einer geplanten Blockade des Hafens von Beaufort lief das Schiff auf Grund und wurde angeblich von Blackbeard selbst versenkt. 1996 konnten die Überreste des Wracks wiederentdeckt werden.

Als die Wissenschafter einige der inzwischen geborgenen Schiffskanonen genauer untersuchten, fanden sie in einer von ihnen eine ausgebleichte Masse, die sie zunächst für Textilfragmente hielten. Erst nach einer genauen Analyse entpuppten sich die kleinen Stückchen als Papier mit Text darauf, die alle aus dem gleichen Buch zu stammen schienen. Weitere Restaurierungsarbeiten machten einige Worte lesbar, doch den entscheidenden Hinweis, um welches Buch es sich hier gehandelt haben dürfte, lieferte schließlich das Wort "Hilo".

Anhand der Seitenfragmente konnten die Forscher den Fund einem konkreten Buch zuordnen.
Foto: N.C. Department of Natural and Cultural Resources

Ortsangabe als entscheidender Hinweis

"Dieses Wort unterschied sich vom übrigen Text und war kursiv gedruckt worden, was auf einen Ortsnamen hinwies", erklärte die Konservatorin Kimberly Kenyon vom NCDNCR gegenüber dem "National Geographic". Den Wissenschaftern gelang es letztlich anhand dieses geografischen Anhaltspunktes, die Textfragmente mit einem Buch von Edward Cooke in Verbindung zu bringen, der 1712 "A voyage to the South Sea, and round the world, perform'd in the years 1708, 1709, 1710, and 1711" herausbrachte und darin neben wissenswerten Fakten auch seine Reiseabenteuer an Bord der beiden Schiffe Duke und Dutchess beschrieb.

Aus diesem Fund schließen die Forscher, dass zumindest einer der Seeleute, die an Bord von Blackbeards Flaggschiff Dienst getan haben, sein seefahrerisches Wissen auch aus Büchern bezogen haben könnte. Freilich ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Buch bei einem Raubzug erbeutet wurde und auf dem Piratenschiff lediglich als Dichtmaterial für die Kanonen Verwendung gefunden hat. Wie dieses Werk wirklich auf die Queen Anne's Revenge gelangt ist, wem es gehörte und wie es letztlich in der Kanone sein Ende gefunden hat, dürfte allerdings ein Mysterium bleiben. (tberg, 9.1.2017)