Wien – Eines lässt sich mit ziemlicher Sicherheit feststellen: Familie P. ist mit der Erziehung ihres 16-jährigen Sohnes Severin (Name geändert, Anm.) überfordert. Viermal hat sein Vater bereits Betretungsverbote erwirkt, nun hat der 49-Jährige gar dafür gesorgt, dass sein Sohn mit einer Raubanklage vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Daniel Potmesil ist. Das Bemerkenswerte daran: Vater P. ist AHS-Lehrer.

Der angeklagte Teenager wird von der Polizei in den Verhandlungssaal eskortiert. Zum ersten Verhandlungstermin war der großgewachsene, schlaksige Jugendliche nicht erschienen. "Warum waren Sie letztens nicht da?", ist daher die erste Frage des Vorsitzenden. "Ich wollte es einfach nicht wahrhaben", lautet die knappe Antwort.

"War sehr schwierige Zeit"

Wie er pubertätstypisch überhaupt immer wieder eher einsilbig antwortet. Potmesil befragt ihn zur Nacht des 7. Juni, als er von seinem Vater unter Androhung von Schlägen 60 Euro gefordert und schließlich 15 Euro erhalten haben soll. "Ich weiß, es war eine sehr schwierige Zeit. Ich dachte, ich kann mich aufführen, wie ich will."

"Warum?", will der Vorsitzende wissen. "Gute Frage. Ich weiß es nicht." – "Gab es bestimmte Vorfälle?" – "Nicht unbedingt." – "Was ist konkret am 7. Juni passiert?" – "Ich weiß es nicht mehr. Ich habe auf jeden Fall das Geld gefordert, aber sicher niemanden angefasst. Ich weiß nur noch, dass ich die 15 Euro aus der Geldbörse genommen habe und rausgegangen bin."

Das machte Severin damals überhaupt gerne, nachdem er die Schule abgebrochen hatte, als er an einer Depression erkrankte. Er schlief immer wieder bei Freunden, war dann für seine Eltern nicht erreichbar und kam nur, um Geld abzuholen. Oft muss es dann zum Streit mit den Eltern gekommen sein. Warum sein Vater immer wieder die Polizei zur Hilfe rief? "Das habe ich nie ganz verstanden, es ist eine Art Machtkampf, denke ich. Die Polizei ist immer wieder plötzlich im Zimmer oder der Dusche gestanden, weil er behauptet hat, ich randaliere", schildert der Unbescholtene.

Familienverhältnisse deutlich verbessert

Seit dem Vorfall habe sich das Verhältnis zu den Eltern aber verbessert, berichtet er. Ab Herbst will er wieder eine Schule besuchen, er fotografiert und liest viel. Potmesil versucht nochmals zu eruieren, was am fraglichen Abend genau passiert ist. "Irgendwie werde ich ihn wahrscheinlich schon bedroht haben", gibt der Angeklagte, der sich grundsätzlich schuldig bekennt, zu. Aber er habe es auf keinen Fall ernst gemeint, wie er schon bei der Polizei sagte.

Die verbesserte Beziehung zu den Eltern äußert sich auch darin, dass beide von ihrem Recht Gebrauch machen, die Aussage zu verweigern. Die logische Folge: ein rechtskräftiger Freispruch. "Bedanken Sie sich bei Ihren Eltern", muntert der Vorsitzende den Burschen auf. "Unterm Strich weiß ich nicht genau, was die Drohung war. Mit einem Freispruch kann ich Ihnen auch keine Bewährungshilfe verordnen. Daher nur ein gut gemeinter Rat: Schauen Sie, dass Sie sich eine geordnete Tagesstruktur besorgen", gibt Potmesil Severin noch mit auf den Weg. Der Vater des Angeklagten hört das nicht mehr – er musste nach seiner Aussage gleich zurück in die Schule. (Michael Möseneder, 22.1.2018)