Meeresökosysteme, wie hier in Australien, leiden bereits stark unter der Erderwärmung.

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Wien – Verschmutzung, Versauerung, Erwärmung: Der Druck auf die Weltmeere steigt. Eine Studie der Universität von Adelaide in Australien, die in dieser Woche im Fachjournal PLOS Biology veröffentlicht wurde, warnt nun vor einer weiteren Problematik: Die Wissenschafter kamen zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Klimawandels ganze Nahrungsnetze in den Meere zusammenbrechen könnten. Der Artenschwund würde auch den Menschen treffen: Wenn Nahrungsquellen für Fische versiegen, könnte das in Zukunft den kommerziellen Fischfang noch weiter beeinträchtigen.

Meeresbiologe und Studienhauptautor Hadayet Ullah untersuchte die Auswirkungen von steigenden Temperaturen und zunehmender Ozeanversauerung. Dazu wurden in Mesokosmen – künstlich geschaffene Ökosysteme für Beobachtungen Experimente – entweder die Temperatur, der Grad der Versauerung oder beide Faktoren gleichzeitig verändert. Für die Studie wurden in zwölf Tanks mit 1600 Litern Fassungsvermögen felsbewohnende Lebensgemeinschaften aus den gemäßigten Küstenregionen Südaustraliens wie Fische, Shrimps, Schnecken, Algen oder Schwämme ausgesetzt. Zudem wurden Sandzonen nachgebildet. Neu war der Ansatz, da nicht nur einzelne Arten oder Individuen, sondern 17 Gruppen sogenannten Stressfaktoren ausgesetzt wurden.

Anstieg von Blaualgen

Im Untersuchungszeitraum von einem halben Jahr dokumentierten die Forscher das Überleben der Arten, den Wachstum, die Biomasse und die Produktivität aller Tiere und Pflanzen. Dabei wurde eine starke Zunahme von Cyanobakterien beobachtet, sogenannter Blaualgen, die Organismen der nächsten Stufe des Nahrungsnetzes nicht verwerten können. "Cyanobakterien sind weitgehend ungenießbar und werden nicht von Pflanzenfressern konsumiert", erklärt Ullah. Dadurch veränderten sich die Nahrungsnetze so stark, dass die Autoren einen vollständigen Kollaps für möglich halten.

Es sei wichtig zu verstehen, wie der Klimawandel in naher Zukunft die marinen Nahrungsnetze verändern wird, betonte Ullah. Denn sie sind für den Erhalt der Artenvielfalt in den Meeren zentral, die wiederum Einnahme- und Nahrungsquelle für Millionen von Menschen weltweit sind, so der Forscher.

Die Studienergebnisse könnten eine mögliche Richtung der zu erwartenden Veränderungen in südaustralischen Küstenökosystemen zeigen, bewertet Martin Wahl vom Forschungsbereich Marine Ökologie des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel die Studienergebnisse. Mit "einiger Vorsicht" könne man Ähnliches jedoch auch an anderen offenen Küsten vergleichbarer geografischer Breite erwarten.

Das Thema bleibt in den kommenden Jahren brisant: Denn selbst beim sofortigen Stopp aller klimarelevanten Emissionen würde sich die Erde allein in diesem Jahrhundert um etwa 1,1 Grad erwärmen. Das ist das Ergebnis einer Studie von deutschen und US-Meteorologen von 2017. Und laut einer Studie der Universität von Kalifornien stieg die Temperatur an der Oberfläche der Ozeane seit 1997 bereits um insgesamt rund 0,12 Grad pro Jahrzehnt. Für die umfangreiche Studie wurden Daten von Satelliten, Bojen und Tauchrobotern ausgewertet. (Julia Schilly, 11.1.2018)