London will raus aus der EU, sucht aber noch nach passenden Ausgängen.

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Mit Reisen nach Deutschland haben britische Minister am Mittwoch eine Charmeoffensive zugunsten eines maßgeschneiderten Handelsdeals für ihr Land nach dem EU-Austritt eröffnet. Die Regierung will vor allem für die City of London guten Zugang zur EU sichern; andernfalls, so die indirekte Drohung, wächst die Gefahr eines Finanzcrashs à la 2008.

Auch im neuen Jahr bleibt das konservative Kabinett unter Premierministerin Theresa May auf ihrem harten Brexit-Kurs, der den Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion einschließt. Allerdings soll bis Ende 2020 eine Übergangsphase gelten, in der die Insel de facto weiterhin alle Pflichten eines EU-Mitglieds einschließlich Milliardenzahlungen in den Brüsseler Haushalt wahrnimmt, ohne aber weiterhin am Brüsseler Konferenztisch zu sitzen.

Umfassendes Abkommen

Für die Zeit danach wünscht sich London ein umfassendes Handelsabkommen, das unbedingt auch Dienstleistungen – sie machen immerhin 80 Prozent der britischen Volkswirtschaft aus – einschließen müsse.

Bei ihren Begegnungen mit Wirtschaftsvertretern in Berlin und München bekräftigten Finanzminister Philip Hammond und Brexit-Minister David Davis ihre Forderung an die 27 EU-Partner: "Fantasievoll und erfinderisch" sollten beide Seiten auf ein Abkommen hinarbeiten.

Stabilität nicht in Gefahr bringen

Ausdrücklich wird die Bedeutung der Banken und Versicherungen am wichtigsten internationalen Finanzplatz der Welt betont: Um die "mühsam errungene Finanzstabilität nicht wieder in Gefahr" zu bringen, heißt es in einem Artikel der beiden Minister für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "müssen wir ein Abkommen schließen", mit dem die zukünftige Kooperation im Bankensektor gewährleistet sei.

Eine ähnliche indirekte Drohung hatte im Dezember bereits der Zentralbank-Gouverneur Mark Carney vorgetragen: Eine Behinderung der City of London werde EU-Firmen mehr schaden als dem Londoner Finanzplatz.

Unterschiedliche Intensität

In London wird neuerdings über eine "Drei-Körbe-Lösung" gesprochen. Je nach Branche soll die Anbindung an Brüssel weiterhin sehr eng, eng oder lose ausfallen.

So haben Lobbyisten der Chemie-, Luftfahrt- und Pharmaindustrie bereits deutlich gemacht, dass sie auch weiterhin der Aufsicht der einschlägigen EU-Behörden unterstellt sein wollen. Dies würde in Streitfällen auch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs beinhalten, die Theresa Mays Regierung eigentlich stets ablehnt. Dennoch scheinen sich die Konservativen die Wünsche der Branchenvertreter ebenso zu eigen zu machen wie die Vorstellungen der Finanzwelt. Hingegen lehnen Brüssel, aber auch Berlin und Paris eine Verwässerung des Binnenmarktes rundweg ab. (Sebastian Borger aus London, 11.1.2018)