Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache gaben als Linie vor: Wer nur kurz eingezahlt hat, bei dem kann im Fall der längeren Arbeitslosigkeit auch auf das Vermögen zugegriffen werden.

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Michael Häupl übernahm am Donnerstag den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz von Markus Wallner (re.) und nutzte die Gelegenheit, der Regierung mit Klage zu drohen.

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Wien – Die Abschaffung der Notstandshilfe betrifft hauptsächlich österreichische Staatsbürger und zu einem großen Teil ältere Menschen. Fast 80 Prozent der Bezieher (128.00 von 167.000 im Jahr 2016) sind Österreicher und mehr als ein Drittel (57.000) 50 Jahre und älter. Das zeigen die Statistiken des Arbeitsmarktservice.

Die Arbeiterkammer wies am Donnerstag darauf hin, dass mehr als ein Drittel der Notstandshilfebezieher über 50 sind. Wenn diese Menschen in die Mindestsicherung geschickt werden, bedeute das einen "direkten Weg in die Schuldenfalle und die Altersarmut". In Österreich dürfe es kein Hartz IV geben, forderte die AK.

Vermögenszugriff in der Mindestsicherung

Die Regierung plant bekanntlich die Abschaffung der Notstandshilfe, die derzeit nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes gewährt wird. Künftig soll man nach dem Arbeitslosengeld in die Mindestsicherung fallen, was nach derzeitigem Stand bedeuten würde, dass man sein gesamtes Vermögen bis auf rund 4.200 Euro aufbrauchen müsste.

Von den 57.000 älteren Beziehern sind 38.000 Männer und 19.000 Frauen. 97.000 der insgesamt 167.000 Bezieher sind zwischen 25 und 49, 13.000 sind jünger als 24. Die Regierungsspitze hatte entgegen den Ankündigen von Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) am Mittwoch bestätigt, dass in manchen Fällen bei Arbeitslosen künftig auf das Vermögen zugegriffen wird, bevor Sozialhilfe fließt.

Nicht "durchschummeln"

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprachen von jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich "durchschummeln" wollen. Damit wurde die Linie der eigentlich zuständigen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) etwas durchkreuzt, die zuvor ausgeschlossen hatte, dass es bei Arbeitslosen zu Vermögenszugriffen kommen werde.

Von mehreren Ländern gab es zuletzt – quer durch die Parteien – Kritik an den Koalitionsplänen. Befürchtet wird, dass auf die Länder, die für die Mindestsicherung zuständig sind, Mehrkosten zukommen. Kurz versuchte zuletzt zu beruhigen und versprach, es werde zu keiner Mehrbelastung kommen.

Häupl droht weiter

Die Debatte riss dennoch auch am Donnerstag nicht ab. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner übernahm, bekräftigte seine Bedenken und kündigte rechtliche Schritte bis hin zu einer Verfassungsklage an. Aber: "Zuerst wird geredet, dann wird noch einmal geredet und wenn dann tatsächlich alle Lasten auf uns abgewälzt werden, werden wir uns natürlich wehren."

Häupl ist jedenfalls skeptisch, dass der Bund den Ländern die Mehrkosten angemessen ersetzen würde und verwies darauf, dass es auch bei den Ausgleichszahlungen von 100 Mio. Euro bei der Abschaffung des Pflegeregresses noch Gesprächsbedarf gebe.

Wallner wartet ab

Wallner, der zuletzt ebenfalls mit Kritik aufhorchen ließ, goss am Donnerstag nicht zusätzliches Öl ins Feuer. Kurz habe Verhandlungen versprochen, nun müsse man "mit Gelassenheit" abwarten, wie die Reform aussehen wird.

Weiter Rumoren gibt es in der FPÖ. Burgenlands Landeschef Johann Tschürtz erklärte, er sei "grundsätzlich" gegen einen Zugriff auf Vermögen, er kann sich aber Ausnahmen vorstellen – etwa für Millionäre.

Gegen Härtefälle

Auch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer brachte im "Ö1-Mittagsjournal" das Beispiel der arbeitslosen Millionäre ins Spiel: "Was wir – was den Vermögenszugriff betrifft – ganz klar festhalten wollen, ist, dass es keine Härtefälle geben wird und geben darf. Aber es kann nicht sein, wenn jetzt zum Beispiel – überspitzt formuliert – ein junger Millionär weiter beziehen will und sein Vermögen geschont bleibt. Das darf dann natürlich nicht sein. Aber wenn jemand unverschuldet in die Situation kommt, dann darf und wird es auch keinen Zugriff geben."

Die Regierungsspitze hat bisher keine konkreten Richtwerte genannt, wer in welchem Ausmaß Vermögen aufbrauchen muss, um nach dem neuen Arbeitslosengeld Anspruch auf Mindestsicherung zu haben. Ein Modell soll im Laufe des Jahres erarbeitet werden.

Eine Statistik des AMS zeigt zudem, dass 77 Prozent der Notstandshilfebezieher österreichische Staatsbürger sind, nämlich 128.000 der 167.000. Die größte Gruppe der Nichtösterreicher sind Türken mit 7.400 Beziehern, gefolgt von Serben mit 7.000 und Deutschen mit 2.700. (APA, red, 11.1.2018)