Heinz-Christian Strache auf Gratwanderung zwischen dem Koalitionspartner (Sebastian Kurz, ÖVP, rechts) und seinen Parteigenossen (Herbert Kickl, links).

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Zwei blaue Regierungspolitiker machen derzeit dezidiert freiheitliche Politik, mit der sie sich gezielt um die Anliegen und Erwartungen ihrer Wählerschaft kümmern. Das ist zum einen Herbert Kickl, der Innenminister dieser Koalition. Er macht Politik und Stimmung gegen Ausländer, speziell gegen Flüchtlinge. Das ist so einfach wie brandgefährlich – und in seiner menschenverachtenden Intention schlichtweg verwerflich. Und das ist zum anderen Beate Hartinger, die Sozialministerin. Sie tritt, so konnte man es aus ihren bisherigen Stellungnahmen ableiten, für den kleinen Mann – und die kleine Frau – ein. Für die sozial Schwächeren, die von Arbeitslosigkeit betroffen oder gefährdet sind.

Letzteres passt der Regierungsspitze offenbar nicht in den Kram. Bis zu Beginn dieser Woche hieß es, Hartinger werde als ressortzuständige Ministerin ein Konzept für ein Arbeitslosengeld neu erarbeiten. Seit dem Ministerrat am Mittwoch gibt es eine neue Botschaft: Die beiden Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) werden dieses Konzept erarbeiten – und Hartinger dabei einbinden.

Sozialministerin entmachtet

Die Sozialministerin wurde damit erst einmal entmachtet. Offenbar gilt sie der Regierungsspitze als nicht verlässlich. Hartinger hatte es gewagt, bei der Neugestaltung des Arbeitslosenbezugs den Vorgaben des türkisen Kanzlers Sebastian Kurz entgegenzutreten. Mehrfach hat sie versichert, dass ein Zugriff des Staates auf das Vermögen eines Menschen, der arbeitslos wurde, für sie nicht infrage kommt. Genau das plant die Regierung aber. Erst wenn das Vermögen bis auf einen Sockelbetrag aufgebraucht ist, soll es – in bestimmten Fällen, die noch nicht definiert sind – eine Arbeitslosenunterstützung oder Mindestsicherung geben. Oder der Staat greift selbst auf das Vermögen zu, indem er sich etwa im Grundbuch bei einem allfälligen Immobilienbesitz eintragen lässt. Details dazu gibt es noch nicht, im Regierungsprogramm selbst ist das offenbar bewusst recht vage gehalten.

Das würde jedenfalls einen Systemwechsel bedeuten, weg von einer Versicherungsleistung hin zu einer Sozialleistung. Pragmatisch kann man das argumentieren, Kurz und sein Vizekanzler Heinz-Christian Strache tun das auch: Diese Maßnahme richte sich gegen jene, die sich "durchschummeln" und das System ausnützen. Wahrscheinlich kennt jeder in seinem Bekanntenkreis jemanden, der Arbeitslose, Notstandshilfe oder Mindestsicherung bezieht, obwohl er nicht darauf angewiesen ist, arbeiten könnte oder ausreichend Vermögen besitzt. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass man mit der geplanten Verschärfung des Systems jene trifft, die unverschuldet arbeitslos sind und ohnedies am Rande des Existenzminimums leben. Sie könnten das Wenige, was sie noch haben, verlieren. Hier wird nach unten getreten.

Dagegen tritt Hartinger auf, dagegen rebellieren auch freiheitliche Spitzenfunktionäre in den Bundesländern – vor allem in jenen, in denen bald gewählt wird. Parteichef Strache ist noch ganz auf der Seite von Kurz, das wird auch für ihn eine Gratwanderung. Denn so sehr die freiheitlichen Wähler in gesellschaftspolitischen Fragen rechts gebürstet sind, in sozialpolitischen Fragen stehen sie eher links. Und das verträgt sich mit dem Kurz-Strache-Kurs derzeit schlecht. Der Konflikt um das Arbeitslosengeld wird nicht nur die Koalition belasten, er birgt auch Sprengstoff für die FPÖ. (Michael Völker, 11.1.2018)