Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist die erste Ministerin der neuen Regierung, die medienwirksam zurückgepfiffen wurde.

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Es ging dann doch wesentlich schneller als gedacht, dass die neue Koalition altbekannte Regierungsprobleme bekommt. Selbst in türkisen Kreisen wird hinter vorgehaltener Hand inzwischen zugegeben: "Die FPÖ hat die Kiste derzeit nicht ganz im Griff." Nur 24 Tage nach der Angelobung musste die Regierungsspitze der Sozialministerin zwei Aufpasser vorsetzen. Und langsam werden auch wieder Stimmen aus den Ländern laut: "Es gibt trotz Regierungsbeteiligung weiterhin einen Meinungsfindungsprozess in der freiheitlichen Partei. Aber natürlich ist es nicht ideal, wenn der öffentlich passiert", sagt Markus Abwerzger, Chef der Freiheitlichen in Tirol.

ÖVP-Vertreter: "Alles nicht abgestimmt"

Begonnen hat alles mit einem Interview in der "Zeit im Bild 2" Anfang Jänner. Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erklärte dort: Der Staat werde definitiv nicht auf das Vermögen von Arbeitslosen zugreifen, bevor sie (nach Bezug des Arbeitslosengeldes) weitere Leistungen erhalten – von Kanzler und Vizekanzler wird das allerdings sehr wohl angedacht.

"Die hat das alles nicht abgestimmt, weder mit uns noch innerhalb der FPÖ", hört man nun aus der Volkspartei. Nach dem Interview habe die türkise Parteispitze auch sofort beim Koalitionspartner angerufen – wenig erfreut. Parteichef Heinz-Christian Strache musste also zurückrudern. Doch nur eine Woche später rückte Hartinger-Klein ein weiteres Mal aus: mit ihr "kein Vermögenszugriff". Kanzler Sebastian Kurz wollte diese Unbelehrbarkeit nicht ungestraft lassen, heißt es. Nun sind also die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) federführend für die Reform des Arbeitslosengeldes – und vor allem natürlich deren Kommunikation – zuständig.

FPÖ beruft sich auf arbeitslose Millionäre

Auch die blauen Landeschefs scheinen zwischenzeitlich zumindest ein einheitliches Wording vorgelegt bekommen zu haben. Am Mittwoch hatten sich der Tiroler Abwerzger und der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann noch strikt gegen einen Vermögenszugriff ausgesprochen. Am Donnerstag zogen die blauen Landesparteispitzen Johann Tschürtz (Burgenland) und Udo Landbauer (Niederösterreich) nach, allerdings wesentlich vorsichtiger. "Grundsätzlich" sei man dagegen, aber: "Wenn jemand Millionär ist und sich in die Arbeitslosigkeit schummelt und trotzdem AMS-Geld bekommt, ist das in Ordnung?", fragten sich die beiden getrennt befragt fast wortgleich. Auch Damann konkretisierte dann am Mittwoch: Im "Extremfall bei Sozialmissbrauch" könne er sich vorstellen, dass der Staat Vermögen der Arbeitslosen miteinbezieht.

Dass sich die nun einigermaßen gemaßregelte Sozialministerin mit Verve als "Schutzherrin der Kleinen" in Szene gesetzt hatte, mag vielleicht an Phasen ihres Lebens vor der aktiven Politik liegen. Die Vergangenheit Beate Hartinger-Kleins weist da einige bemerkenswerte Facetten auf. In jüngeren Jahren pflegte Hartinger gute Kontakte zur SPÖ. So erinnern sich mit ihr Bekannte, dass sie und ihr damaliger Gatte über die rote Wohnbaugenossenschaft in Graz ihren Wohnbedarf deckten. Sie galten durchaus als "Rote". Auch ihre ersten beruflichen Stationen sollen über rote Bande gelaufen sein. "Sie war damals in den Anfängen weit entfernt von der FPÖ", bemerkt ein ehemaliges SPÖ-Mitglied.

Hartinger: Suche "die große Bühne"

Ein anderer Zeitzeuge erinnert sich, dass Hartinger schon damals "die große Bühne" gesucht habe, und sehr darauf bedacht gewesen sei, Karriere zu machen. Dies sei aber in der steirischen Krankenanstaltengesellschaft, wo sie beruflich im Management Fuß gefasst hatte, nicht möglich gewesen. Was wohl mit ein Grund dafür war, dass sie dem Ruf des ehemaligen FPÖ-Landesobmann Michael Schmid folgte, der sie in die Politik und den Landtag holte. Hartinger war in der Folge bis 2002 im Nationalrat. "Sie ist an sich dort nicht sonderlich aufgefallen, sie war engagiert, aber inhaltlich eher schwach", urteilt ein ehemaliger Parlamentskollege.

Um Stress abzubauen, hat Beate Hartinger-Klein zu Hause übrigens ein Trampolin stehen, auf dem sie – wie sie in einem Interview in der "Krone" verriet – "dann ganz gern an die Decke" hüpfe.

Häupl droht mit Verfassungsklage

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) droht der Regierung angesichts ihrer Pläne zur Reform des Arbeitslosengeldes nun jedenfalls mit rechtlichen Schritten – bis hin zur Verfassungsklage. Die Länder müssten sich angesichts der damit verbundenen Mehrkosten wehren, findet Häupl. Abgesehen davon, dass der Sozialdemokrat die angedachten Änderungen wohl aus ideologischen Gründen ablehnt, ist es so, dass die Pläne der Regierung eine Verschiebung der Notstandshilfe, die aus dem Bundesbudget finanziert wird, in die Mindestsicherung vorsehen. Für die Mindestsicherung müssen derzeit die Länder aufkommen. Auch die Landeshauptleute von Vorarlberg und Oberösterreich, Markus Wallner und Thomas Stelzer (beide ÖVP), haben in Wien bereits Bedenken angemeldet. (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, 11.1.2018)

Was für und gegen den Zugriff auf Vermögen spricht

PRO

Bei der Mindestsicherung gilt jetzt schon der Grundsatz: Zunächst muss das Vermögen bis auf einen Freibetrag von gut 4200 Euro aufgebraucht werden (angemessener Wohnraum ist ausgenommen). Im Sinne der Einheitlichkeit könnte man also argumentieren, dass für bisherige Notstandshilfebezieher ähnliche Regeln gelten sollten. Die Regierungsspitze fasst das folgendermaßen zusammen: Es sei nicht Aufgabe der Allgemeinheit, Menschen, die nur kurz ins System eingezahlt haben und noch Vermögen haben, von staatlicher Seite "durchzutragen".

Gegner eines Vermögenszugriffes bei der Notstandshilfe verweisen gerne darauf, dass es sich bei dieser um eine Versicherungsleistung handle. Grundsätzlich stimmt das auch, weil man vor der Notstandshilfe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben muss. Sämtliche Leistungen, die Arbeitssuchenden angeboten werden (Geld und Ausbildungsmaßnahmen), können aber bei weitem nicht durch die Arbeitslosenversicherungsbeiträge gedeckt werden. Der Staat schoss im Vorjahr gut acht Milliarden Euro aus dem Steuertopf zu. Es handelt sich also eigentlich um ein Mischsystem aus Versicherungs- und steuerfinanziertem System.

Österreich würde hier auch keine neuen Wege beschreiten. Im deutschen Hartz-IV-System gibt es ebenfalls den Zugriff auf Vermögen. Die dortigen Behörden können auch Einschau in Konten der Bezieher nehmen. Ob es derartige Pläne auch für Österreich gibt, ist unklar. (go)

KONTRA

Trotz besserer Konjunktur gab es im Dezember noch immer 444.000 Arbeitslose in Österreich. Dem standen rund 69.000 offene Stellen gegenüber. Klar ist also: Sehr viele Menschen werden, selbst wenn sie Tag und Nacht Bewerbungsschreiben abschicken, keinen Job finden. Ihnen drohen im Falle von Verschärfungen effektiv Einkommenseinbußen. Zudem ist unter Ökonomen umstritten, ob mehr Druck auf Arbeitslose überhaupt signifikante Beschäftigungseffekte erzeugt. Kritiker befürchten sogar, dass mehr Konkurrenz am Arbeitsmarkt zu zusätzlichem Lohndumping führen könnte.

Zudem ist Österreich ist ein föderalistischer Staat, die Mindestsicherung fällt in die Kompetenz der Länder, für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe ist der Bund zuständig. Wandern die Notstandshilfebezieher in die Mindestsicherung, muss der Bund den Ländern die Mehrkosten abgelten, andernfalls drohen langjährige Rechtsstreitigkeiten. De facto müsste also der Finanzausgleich aufgeschnürt und neu verhandelt werden, was in Zeiten der Hochkonjunktur wohl zusätzliche Begehrlichkeiten der Länder wecken würde. Erfahrungsgemäß steigt der Bund bei solchen Verhandlungen nicht als Sieger aus.

Denkbar ist auch eine steigende Altersarmut. Notstandshilfebezieher sind bisher pensionsversichert, Mindestsicherungsbezieher nicht. Behält man dieses Prinzip bei, würden also die Pensionsansprüche von Langzeitarbeitslosen, die in die Mindestsicherung wandern, sinken. (go)