Säße im Weißen Haus in Washington ein berechenbarer und in politischen Kategorien denkender Präsident, dann würde seine Iran-Entscheidung von Freitag folgendermaßen interpretiert werden können: Der US-Warnschuss der USA – die Drohung, aus dem Atomdeal mit dem Iran auszusteigen – ist gleichzeitig ein Startschuss für einen neuen diplomatischen Prozess.

Folgenden Inhalts: Washington will seine internationalen Partner gewinnen, Teheran davon zu überzeugen, dass dessen regionale Hegemonialpolitik auch mit "eingehegtem" Atomprogramm als aggressiv wahrgenommen wird. Und dazu braucht es eine kollektive Anstrengung, wie jene, die 2015 zum Wiener Abkommen geführt hat. Dass die Berater von Donald Trump sehr wohl in diese Richtung denken, beweisen diverse Beteuerungen, dass der Präsident ohnehin nicht erwarte, dass der Atomdeal neu verhandelt wird: Dann hätte Trump das Wiener Abkommen tatsächlich gleich zerreißen können. Es gehe um "Folgeabkommen", zum Beispiel bezüglich des iranischen Raketenprogramms.

Auch dafür stehen die Chancen sehr schlecht, aus ideologischen, aber auch pragmatischen Gründen innerhalb des Iran – wie der Schwäche der iranischen Armee, etwa im Vergleich mit den von den USA und Europäern hochgerüsteten Saudis. Aber sie stehen auch deshalb schlecht, weil der Herr im Weißen Haus den Nahen Osten durch eine Brille betrachtet, durch die man nur schwarz-weiß sieht. (Gudrun Harrer, 15.1.2018)