Das internationale Popkollektiv Superorganism gilt 2018 als allerneueste große Hoffnung im Pop.

Foto: Domino

Wien – Ob es eine gute Idee ist, dass sich die Spice Girls heuer tatsächlich reformieren und ein neues Album aufnehmen, bleibt dahingestellt. Braucht man den ganzen Blödsinn zwischen "I tell you what I want, what I really, really want" oder Reel 2 Real mit "I like to move it, move it" wirklich wieder? Dr. Alban soll bitte auch daheim in Schweden bleiben und weiterhin Zähne ziehen, anstatt mit It's my Life als Eurodancer wiederzugehen. Was wurde eigentlich aus den Rednex oder Captain Jack? Das Schicksal von DJ Bobo ist bekannt, jenes von Scooter sowieso. Verdammt, sie sind einfach da. Immer schon. Die Kelly Family wurde soeben runderneuert – und der Viele-viele-bunte-Smarties-Techno hat seit einem Vierteljahrhundert Saison.

Superorganism: "Everybody Wants To Be Famous"
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Die 1980er-Jahre scheinen nach einem eineinhalb Jahrzehnte dauernden Revival mittlerweile so weit ausgeschlachtet worden zu sein, dass sich jetzt selbst jene Menschen daran erinnern können, die damals live mit dabei waren und sich ursprünglich eigentlich gar nicht daran erinnert hatten. Und irgendwo in diesen fernen Welten bereiten sich gegenwärtig auch noch Grunge und Trip-Hop oder grausamer Crossover der Güteklasse Rage Against The Machine plus The Prodigy mit alten Stumpfgurken-Böllern wie Firestarter darauf vor, wieder die 1990er-Jahre über die Welt kommen zu lassen.

Vom Wagnis der Prognose

Wenn man sich die diversen Hotlists und Trends für 2018 durchliest, fallen einige Namen auf. Von der BBC als prominentestem Influencer wurde heuer die norwegische Newcomerin Sigrid und ihr perfekt produzierter Pop für Mainstream- wie auch Studentenradios nominiert. Dazu gesellen sich in anderen Listen etwa der jährlich eingeforderte neue Bekenntnis-Soul und Gebetskreis im Namen der heiligen Adele. 2018 fällt in diesem Zusammenhang häufig der Name Charlotte Day Wilson. Im Indierock sind Prognosen traditionell ein Wagnis. Die Musik ist meist austauschbar und vergeht so eintönig wie ein Nachmittag auf dem Frequency-Festival. Erfolg könnte sich etwa bei Dream Wife oder Happy Meal Ltd. einstellen. Das Glück könnte allerdings auch bei Baby Oasis, Copy Blur oder den Nirvana Pumpkins vorbeischauen.

Superorganism: "Nobody Cares"
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Schwer gehypt und als Fixstarter im Markt der Retrogardisten unter besonderer Berücksichtigung der 1990er-Jahre mit dabei: das achtköpfige Kollektiv Superorganism. Die Band ist der wahr gewordene Traum jedes Netzutopisten und Networkers. Kennengelernt hat sich der wie eine Kreuzung aus der Comicband Gorillaz und den United Colours of Benetton daherkommende Haufen über diverse Soloprojekte im Internet. Bis vor kurzem arbeiteten Superorganism nur online von Japan, Neuseeland, den USA, Australien und Großbritannien aus. Man schickte sich Soundfiles und produzierte schwarmintelligent 2017 den millionenfach angeklickten Song Something For Your M.I.N.D..

Nett und faul-verhatscht

Es ist ein nettes, faul-verhatschtes, mit bewusst ungenau geschnittenen Breaks und Tingeltangel-Sounds produziertes Stück Popmusik, zu dem man gut kiffen, Pardon, chillen kann. Und: Es fällt daheim niemandem ungut auf. In einer Welt, in der der junge Mensch ausbildungstechnisch und skillsmäßig immer noch mehr gefordert ist, ist es ein entscheidendes Qualitätskriterium und kleines Alleinstellungsmerkmal, wenn es in der Freizeit nicht dauernd Rambazamba spielt. Auch andere Lieder von Superorganism, etwa Everybody Wants To Be Famous oder Nobody Cares, sind nach diesem Muster gebaut.

Superorganism: "Something For Your M.I.N.D."
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Der 32-jährige Bandopa Harry nimmt als Bauaufsicht die Ergebnisse ab. Mit Robert Strange beschäftigt man einen eigenen Onlinebeauftragten, der Superorganism im todschicken 90er-Design auch mit rührend-nostalgischem Game auf der Seite inszeniert. Physische Tonträger liegen bisher nicht vor. Warum auch?

Mittlerweile leben die 17-jährige, herrlich gelangweilt-singende japanische Sängerin Onoro und ihre Kollegen und -innen gemeinsam in einer WG in London, im Flugzeug oder im Lande Airbnb. Es gibt eher konventionelle, also ohne Klappcomputer absolvierte Liveauftritte. Anfang März erscheinen ein namenloses Vinylalbum sowie eine CD. Sie leuchten wie früher die Neonwürste bei den Raves im Dunkeln. Wenn nicht gerade alles den Bach runtergehen würde, wäre 2018 ein tolles Jahr. Am Samstag gastieren Superorganism beim (ausverkauften) FM4-Fest in der Ottakringer Brauerei. Wo sind die Hände?! (Christian Schachinger, 16.1.2018)