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Kinder sollten Grundlagen im Programmieren erlernen. Das wird nicht nur von Bildungsexperten gefordert, auch Unternehmen wie Apple engagieren sich. (Im Foto: CEO Tim Cook mit Kindern, die Programmier-Apps ausprobieren)

Foto: AP Photo/Mark Lennihan

Man tippt auf ein buntes Viereck. Es öffnet sich ein größeres Fenster, in dem man wiederum auf verschiedene Symbole tippt oder darüber wischt. Eine App zu bedienen, ist keine Hexerei. Schon kleine Kinder kapieren, wie sie sich auf dem Smartphone von Mama und Papa Fotos und Videos ansehen können. Aber wieso funktioniert das Ganze? Was bringt ein Programm dazu, eine gewisse Aktion auszuführen, wenn man mit dem Finger auf einen Punkt am Bildschirm tippt. Oder mit der Maus ein Zeichen anklickt? Programmieren etabliert sich zunehmend als neue Kulturtechnik. Experten plädieren dafür, dass alle Kinder die Grundlagen kennenlernen.

"Programmieren ist wie Kochen"

"Ich sage immer, Programmieren ist ein bisschen wie Kochen, oder wie Schreiben oder logisches Denken. Kenntnisse darin sollte jeder Mensch haben", sagt Wolfang Slany. Er leitet das Institut für Softwaretechnologie der TU Graz. Dort wurde die App Pocket Code entwickelt, mit der Kinder programmieren lernen und ihre eigenen Apps entwickeln können. Grundkenntnisse darin zu haben, wie Computerprogramme und Smartphone-Apps funktionieren, ist nicht nur für jene von Vorteil, die später einmal einen einschlägigen Beruf ergreifen wollen. "Zu verstehen wie das alles funktioniert und es mitgestalten zu können, ist von fundamentaler Bedeutung für unsere Zukunft", so Slany zum STANDARD. Er sieht die Gefahr, dass Menschen zu digitalen Analphabeten werden, wenn nur jene etwas vom Programmieren verstünden, deren Beruf es ist.

Auch bei der Österreichischen Computergesellschaft (OCG) setzt man darauf, Kindern möglichst früh Grundkenntnisse beizubringen. "In jedem Job wird künftig digitales Know-how und zumindest digitales Grundverständnis notwendig sein", erklärt Johann Stockinger, Leiter Forschung und Innovation der OCG, dem STANDARD. Eigens für Kinder entwickelte Programmiersprachen können zudem die Medienkompetenz stärken, da sie so interaktive Geschichten erschaffen können. Außerdem fördere Programmieren die Lesekompetenz und das mathematische Verständnis.

Programmiersprache für die Jüngsten

Es gibt zahlreiche Apps, Spielzeuge und Kurse, die bereits auf die Allerjüngsten abzielen. Etwa Roboter und Tablet-Games, die Fünfjährigen die Grundlagen beibringen. Bei der OCG empfiehlt man beispielsweise den Bee Bot Bienenroboter oder die Programmiersprache Scratch Junior, die schon im Kindergarten Grundkenntnisse vermitteln können. Die Organisation bietet mit dem "Biber der Informatik" einen Wettbewerb für Schulkinder aber der dritten Klasse Volksschule, an dem sie ohne Vorwissen teilnehmen können. Im November 2017 machten dabei über 31.000 Kinder österreichweit mit. Slany wiederum sieht etwa 13 als ideales Alter an, denn da können sich Kinder bereits nach entsprechender Aufklärung alleine mit dem Internet beschäftigen. Viele Lernmaterialien findet man kostenlos im Internet. Davor müssten sich vor allem auch die Eltern engagieren, sofern die Schule kein entsprechendes Angebot hat.

Dabei muss man jedoch keine trockenen Skripten und komplizierten Codezeilen lernen. Für Kinder gibt es – wie erwähnt – visuelle Programmiersprachen und interaktive Spiele, die ihnen die Grundlagen spielerisch beibringen. Am MIT Media Lab wurde Scratch entwickelt. Die Programmiersprache richtet sich an Acht- bis Sechszehnjährige, die damit Spiele, Animationen und interaktive Geschichten erschaffen können. Für noch Jüngere gibt es Scratch Junior. "Scratch ist zu Recht die unter Kindern beliebteste Programmierumgebung", so Slany. Es gebe eine riesige Gemeinschaft – auch im deutschsprachigen Raum – mit zahlreichen Kursen und Lernmaterialien. Pocket Code wurde von Scratch inspiriert und funktioniert ebenfalls über visuelle Elemente. In Wien und Umgebung bietet beispielsweise die Acodemy entsprechende Kurse für Kinder verschiedener Schulstufen. Die OCG, die selbst zahlreiche Kurse veranstaltet, empfiehlt unter anderem auch die Workshops von DaVinci Lab.

Von programmierbaren Robotern und Spielzeugen wie etwa Lego Mindstorms ist Softwarewissenschaftler Slany jedoch nicht restlos überzeugt. Zwar könnten sie für Kinder für kurze Zeit interessant sein, sie würden aber weniger Möglichkeiten bieten und seien auch vergleichsweise teuer. Besser geeignet seien Arduino und Raspberry Pi – zwei Minicomputer, die unzählige Projekte wie Alarmanlagen, Retro-Spielekonsolen oder Fotoautomaten ermöglichen. Beide lassen sich mit Scratch und Pocket Code programmieren. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Kinderspielzeug.

Kritik am Informatikunterricht

Der Einsatz von visuellen Programmiersprachen wie Scratch ist laut Regierungsprogramm in Zukunft in Österreich ab der ersten Schulstufe vorgesehen. Konkrete Pläne, wann und wie das umgesetzt werden soll, gibt es laut Bildungsministerium aber noch keine. Der derzeitige Informatikunterricht wird vor allem von der OCG kritisiert. In der Volksschule fehle es an allen Ecken und Enden, unter anderem bei der Ausstattung. In der Unterstufe konzentriere sich der Informatik-Unterreich meist auf die Programme Word, Excel und Powerpoint. Bei den Lehrern fehle es an Know-how, für Volksschullehrer gebe es derzeit beispielsweise gar keine Ausbildung. Lehrkräfte mit Universitätsabschluss wiederum würden schnell vom Markt abgeworben. Dabei sei die Schulung von Lehrern aus den verschiedensten Unterrichtsgegenständen notwendig, so Stockinger von der OCG. "Technische Werklehrer benötigen etwa Grundkenntnisse in der Programmierung, um Mikrocontroller einsetzen zu können."

In Deutschland wird mit dem Calliope beispielsweise ein Minicomputer an Schulen eingesetzt. Er wurde in Bremen und dem Saarland bereits als Unterrichtsmaterial eingeführt und verfügt über LED-Lampen, kann Töne abspielen und über Knöpfe und Pins bedient werden. Wie Arduino und Raspberry Pi ist auch der Calliope kostengünstig über Plattformen wie Amazon erhältlich.

Engagement der Industrie

Kindern Programmieren beizubringen, ist nicht nur Ziel von Bildungsexperten. Auch die Industrie engagiert sich. Apple hat 2016 die kostenlose iPad-App Swift Playgrounds gestartet, mit der Kinder die Apple-Programmiersprache erlernen können. Samsung veranstaltet in Österreich die Workshop-Reihe Coding for Kids, bei denen Schulklassen das Programmieren von Apps und Robotern beigebracht wird. Microsoft bietet mit Code Builder ein Werkzeug, das Programmierkenntnisse anhand des Spiels Minecraft vermitteln soll. "Im Grunde erlaubt das Programmieren eine völlig freie Entfaltung und dadurch die Entwicklung unserer Kinder weg von reinen passiven Konsumenten in einer globalen Weltwirtschaft, hin zu aktiven und kreativen Mitgestaltern unserer Gesellschaft", ist Slany sicher. (Birgit Riegler, 2.2.2018)