Linz/Freistadt – Ein 38-jähriger Afghane hat sich am Dienstag in Linz wegen Mordversuchs vor Gericht verantworten müssen. In einem Asylquartier im Bezirk Freistadt soll er die Mutter seiner vier Kinder mit einem Messer schwer verletzt und – mit einem offenen Benzinkanister in der Hand – gedroht haben, alles niederzubrennen. Für den Staatsanwalt Alfred Schaumüller ist es "der Tiefpunkt" der von Gewalt und Beleidigungen geprägten Ehe.

Auch zuvor schon gewalttätig

Das Paar kommt aus Afghanistan. Die Ehe wurde arrangiert, die Frau war bei der Hochzeit 15 Jahre alt, er 23. Die beiden bekamen vier Töchter, die heute elf, neun, sechs und vier Jahre alt sind. 2015 flüchtet die Familie nach Österreich. Im April 2016 wurde der Angeklagte wegen fortgesetzter Gewaltausübung gegen die Frau und Nötigung einer Tochter zu acht Monaten bedingt verurteilt. Im Juni 2017 drohte er seiner Frau mit einem Messer, sie zu töten, und ein weiteres Mal, sie mit Benzin anzuzünden. Es folgten Trennung, Betretungsverbot und eine weitere Verurteilung, diesmal zu einer unbedingten Haftstrafe.

Am 1. Juli kam es dann – wenige Stunden nach einer Aussprache, in der die Frau die Scheidung verlangt hatte – zu dem nun angeklagten Vorfall: Am Tatabend sei der Mann in das Haus gegangen, in dem seine Familie lebte. Er habe im Keller gewartet, bis die Frau und die Kinder nach Hause kamen und schlafen gingen, so Schaumüller.

Dann soll er einen Benzinkanister aus einem Lagerraum geholt und vor die Wohnung gestellt haben. Anschließend habe er die Wohnungstür aufgedrückt, sei hineingegangen und habe seine noch wache Tochter am Hals gepackt. Er habe ihr befohlen, still zu sein, sonst werde er sie wie ihre Mutter töten. Dann habe er seiner Frau mit einem Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge in den Kopf gestochen, so die Anklage. Anschließend habe er die stark Blutende in ein anderes Zimmer gezerrt, den Benzinkanister geholt, aufgeschraubt und gedroht, er werde alles niederbrennen, damit er Ruhe habe.

Asylwerber bekennt sich teilweise schuldig

Der schwer verletzten Frau gelang es, ihn etwas zu beruhigen und zu einem Nachbarn zu flüchten. Dieser holte die Rettung und sei ebenfalls von dem Angeklagten bedroht worden, erklärte der Staatsanwalt. Der Afghane soll gesagt haben, er werde alles niederbrennen, wenn der Nachbar die Polizei holt. Dieser tat es dennoch, der Angeklagte wurde festgenommen.

Vor Gericht bekannte sich der Asylwerber nur teilweise schuldig. Er bestritt, bereits in Afghanistan gewalttätig gegen seine Frau gewesen zu sei. Wenn sie das sage, lüge sie. Er gab zwar zu, sich im Keller versteckt und auf die Familie gewartet zu haben, behauptete allerdings, seine Frau habe ihn zu einer weiteren Aussprache eingeladen und gesagt, er solle wegen des Betretungsverbots darauf achten, dass ihn niemand sieht. "Das haben Sie aber bisher nicht so ausgesagt", wunderte sich Richter Gerhard Nathschläger. Der Angeklagte meinte daraufhin, er habe bei der Polizei ja gar keine detaillierten Angaben gemacht, und seine Einvernahme habe nur zehn oder 15 Minuten gedauert. Nathschläger begann zu blättern – Fazit: Laut Protokoll dauerte die Vernehmung zwei Stunden und 20 Minuten, allein die Sachverhaltsschilderung nimmt mehr als 20 Seiten ein.

Strategie: Rücktritt vom Mordversuch

Der Angeklagte leugnete auch, seiner Tochter etwas getan zu haben. Das Messer will er nur mitgehabt haben, weil er zuvor einen Apfel gegessen habe. Die Verletzungen der Ehefrau – unter anderem eine zehn Zentimeter lange und einen Zentimeter auseinanderklaffende Wunde an der Schläfe – seien durch die Bewegungen der Frau, die sich erschreckt habe, zustande gekommen. Erst als er das Blut gesehen habe, sei ihm bewusst geworden, dass er das Messer immer noch in der Hand halte. Dann habe er den Benzinkanister geholt, weil man mit "Benzin, Zucker oder Eselkot" Blutungen stoppen könne. Die Strategie seines Verteidigers Günter Tews zielt auf einen Rücktritt vom Mordversuch ab.

"Unter Schock"

Am Nachmittag standen die kontradiktorischen Einvernahmen der Ehefrau des Angeklagten und der ältesten Tochter auf dem Programm. Das Mädchen schilderte, dass ihr Vater ins Zimmer gekommen sei und gesagt habe: "Leise, nichts sagen, oder ich töte dich auch wie deine Mutter." Dabei habe er sie so fest am Hals gepackt, dass am nächsten Tag die Haut "ganz schwarz" gewesen sei.

Dann habe er die Decke über sie gezogen und sei zu ihrer Mutter gegangen, so die heute Elfjährige. Die 30-jährige Frau schilderte, sie habe bereits geschlafen und sei davon munter geworden, dass ihr Mann sie an den Haaren gepackt habe. Bei Details blieb sie aber manchmal vage. "Ich war unter Schock."

Die Frau berichtete, sie habe ihren Mann nach der Messerattacke immer wieder angefleht, sie nicht zu töten, weil sie vier Kinder habe. Als sie wegen ihrer stark blutenden Wunde zu Nachbarn gehen und diese um Hilfe bitten wollte, habe er sie zuerst nicht gehen lassen. Er habe gesagt: "Ich vertraue dir nicht" und offenbar befürchtet, sie werde die Polizei rufen. Sie habe ihn überzeugen können, dass sie das nicht tun werde und sei zu den Nachbarn geflüchtet.

Warten auf ein Urteil

Ein Flüchtlingsbetreuer erzählte, dass die Frau ihn öfter um Rat gefragt habe, weil ihr Mann sie immer wieder bedrohe. Aber es habe nie Zeugen gegeben. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann sollen die Geschworenen auch ein Urteil sprechen. (APA, red, 16.1.2018)