8.45 Uhr

An der Liftstation wartet eine Schlange aus bunten Skihelmen. Endlich piept das Drehkreuz, und die Rendlbahn kommt in Fahrt. Die anderen wollen einfach nur fahren, wir wollen maximal brettern. Von Süd nach Nord und wieder zurück. Vor uns liegt ein Ultraskitag am Arlberg, dem größten Skigebiet Österreichs, das wir komplett durchqueren wollen. Es geht nicht um Zeit, sondern darum, die Herausforderung an einem Tag zu schaffen.

Von Süd nach Nord und wieder zurück – wer sich die Zeit gut einteilt, kann die 65 Pistenkilometer im Skigebiet am Arlberg an einem Tag durchqueren.
Foto: Flexenbahn

8.57 Uhr

1. Abfahrt: St. Anton, der Start und Zielort, liegt unten im dichten Nebel. Wir werden heute auch noch St. Christoph, Stuben, Zürs, Zug, Oberlech, Lech, Schröcken und Warth sehen, teilweise auch nur im Wintergrau erahnen. Über die Jahrzehnte sind diese neun Gemeinden und Ortsteile zusammengewachsen. Hier ein Verbindungsweg, dort eine zusätzliche Abfahrt, ein neuer Lift. Selbst ein ausgeklügeltes Bussystem hat man installiert, um maximal Kilometer zu bekommen. Aber erst seit vergangenem Winter ist es möglich, alles am Stück auf Pisten zu absolvieren.

Dank der Flexenbahn sind seit vergangenem Jahr alle Skiorte des Arlberg auf Skiern erreichbar.
Foto: Flexenbahn

10.48 Uhr

Den südlichsten Punkt am Rendl haben wir vor einiger Zeit bereits passiert und von dort den kürzesten Weg gen Norden eingeschlagen. Trotzdem befinden wir uns nach zwei Stunden immer noch im Hoheitsgebiet von St. Anton – aber immerhin am neuralgischen Punkt. Die im vergangenen Jahr eröffnete Flexenbahn bringt uns hinüber nach Zürs. Von Tirol nach Vorarlberg, vom Nebel in die Sonne. Es sind zwei benachbarte Täler, getrennt nur durch einen Bergkamm, und trotzdem können hüben ganz andere Verhältnisse herrschen als drüben. Das Inntal macht den Schönwetterfahrern in St. Anton heute einen Strich durch die Rechnung, weil es schwere, dampfige Luft vom Flusslauf hoch in die Berge schickt. Auf der anderen Seite ist der Bodensee heute gnädig und bremst seinen Dunst im Montafon ab. Viele Skifahrer drängen deswegen rüber nach Zürs.

Auf der Runde liegt auch eine Skiroute, markiert, aber nicht präpariert.
Foto: Tourismusverband St. Anton am Arlberg

11.59 Uhr

Vor uns liegt die berühmte Madloch-Abfahrt. Sie ist eine Skiroute, also markiert, aber nicht präpariert und damit die anspruchsvollste Piste der Runde. Man bewegt sich bei der Arlberg-Durchquerung, die den offiziellen Namen "Run of Fame" trägt, nur auf blauem und rotem Terrain, schwarze Abfahrten hat man ausgespart. Sie ist ausgeschildert, aber ohne Pistenplan tut man sich schwer, die direkte Linie zu finden. Und wer will schon Extrakilometer fahren, wenn es darum geht, die Tour an einem Tag zu schaffen? Der Ansatz lautet, die Durchquerung möglichst einfach zu gestalten und damit jedermann zu ermöglichen.

Fahren, fahren, fahren: Kaffeepause und Mittagsjause fallen auf der großen Runde aus.
Foto: Tourismusverband St. Anton am Arlberg

12.31 Uhr

Kaffeepause und Mittagsjause fallen heute aus. Unsere Brotzeit findet im Auenfeldjet statt, dem Bindeglied zwischen Lech und Schröcken. Zur Auswahl steht, was gerade so in eine Skihose und den Anorak passt: Ein Apfel ersetzt das Skiwasser. An Cordon bleu erinnert uns allenfalls noch die Scheibe Käse im zerknautschen Brötchen. Das Motto beim Nachtisch lautet: Körndl statt Zuckerl. Die Hälfte des Müsliriegels müssen wir aber wieder einstecken, weil sich bereits die Gondeltür öffnet.

13.04 Uhr

Es ist geschafft: An der Talstation in Warth signalisiert eine Fahne den nördlichsten Punkt. Kurzes Erinnerungsfoto für die Selfie-Galerie, schnell eine Toilette suchen und zurück Richtung St. Anton. Das Schöne ist: Obwohl Warth der Flaschenhals der Tour ist, müssen wir auch dort keine Piste zweimal absolvieren. Folglich bleibt jede Abfahrt heute einzigartig.

Pfarrer Johann Mülle hatte vor 70 Jahren die Grundidee zur Arlberg-Querung, als er mit Ski von Warth nach Lech marschierte und erst am letzten Hang vor Tirol scheiterte.
Foto: Tourismusverband St. Anton am Arlberg

13.55 Uhr

Standseilbahnen rangieren in der Gunst der Skifahrer gewiss nicht ganz oben. Aber wir sind heilfroh, als wir in Lech in die Großkabine steigen, die auf den Rüfikopf führt, und endlich mal unsere Skischuhe öffnen können. Aus den Tiefen der Tasche angeln wir die letzten Körndln des Müsliriegels und genießen die Entlastungspause für die Oberschenkel.

14.22 Uhr

Bevor uns die Flexenbahn wieder Richtung St. Anton hievt, steigen wir hinab ins Kellergeschoß, wo man der neuen Arlberg-Durchquerung ein Museum spendiert hat. Wir sind die einzigen Besucher der "Hall of Fame", die anderen Skifahrer wollen so schnell wie möglich zurück, um ihre müden Knochen auszuruhen. Sie verpassen die amüsanten Geschichten rund um Hubert Strolz, Karl Schranz und Emil Doppelmayr, all die Arlberger Berühmtheiten.

Beeindruckend ist die Story über Pfarrer Johann Müller, der vor 70 Jahren die Grundidee zur Arlberg-Querung hatte, als er mit Ski von Warth nach Lech marschierte und erst am letzten Hang vor Tirol scheiterte. Das virtuelle Rennen gegen die Skistars, bei dem man minutenlang in Abfahrtshocke vor einem Bildschirm verharrt, spart man sich besser. Schließlich ist das Ziel noch einige Kilometer entfernt.

Es ist geschafft: Sechseinhalb Stunden nach dem Aufbruch in St. Anton ist der "Run of Fame" zur Gänze absolviert.
Foto: Tourismusverband St. Anton am Arlberg

15.21 Uhr

Sechseinhalb Stunden nach unserem Aufbruch stehen wir wieder in St. Anton. Pardon, sitzen, denn die Muskeln haben keine Lust mehr, unseren Körper in aufrechter Position zu halten. Während wir nachholen, was heute auf der Strecke blieb (Cordon bleu, Kaffee und Nussbeugerl), ziehen wir ein Fazit der Tour: Wer zum ersten Mal am Arlberg ist und keine Probleme hat, auch mal den Pistenplan rauszukramen oder nach dem Weg zu fragen, erhält mit der Durchquerung einen tollen Überblick über das Megaskigebiet. Fortan bekommt man die Region auch gedanklich zu fassen und kann sich seine Rosinen rauspicken.

Wer im Anschluss noch ein paar Tage Zeit hat, sollte auf die Kilometerbolzerei verzichten und sich jeden Tag eine neuen Ort am Arlberg vornehmen. Mit der Durchquerung hat man längst noch nicht alles gesehen. Es warten noch viele Lifte und Abfahrten abseits des "Run of Fame". (Christian Schreiber, RONDO, 21.1.2018)

Kulinarik an der Run-of-Fame-Route:

Foto: Adolf Bereuter

Der Wolf

Außen und innen mit Fichtenholz verkleidet und doch moderne Hüttenarchitektur: "Der Wolf", erst im letzten Winter eröffnet, liegt auf 2000 Meter Seehöhe am Petersboden. Kulinarisch reicht das Angebot vom Wiener Frühstück bis zum veganen Kichererbsencurry.

Foto: Xenia Dürr

Schneggarei

Die Schneggarei bei der Talstation Schlegelkopflifts in Lech wurde mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichnet. Neben Pizzen aus dem Holzofen finden sich auf der Mittagskarte diverse Hüttenklassiker, aber auch Burger und vegetarische Gerichte.

Foto: Hubert Gmeiner

Trittkopf-BBQ-Station

Ein spektakulärer Ausblick durch Panoramafenster beitet sich in der eben eröffneten, modern gestylten Trittkopf-BBQ-Station direkt in der alten Bergstation auf 2423 Metern Seehöhe. Burger werden u.a. mit stundenlang gesmoktem Pulled Pork gefüllt.

Foto: Rud Alpe

Rud-Alpe

Nur ein kleiner Abstecher vom Run of Fame ist nötig, um zur Rud-Alpe an der Schlegelhof-Piste zu gelangen. Für die klassische Küche von Erdäpfelsuppe über Spinatknödel bis zum Kaiserschmarren gibt es auch eine Haube im aktuellen Gault-Millau. (ped, 21.1.2017)