Vor dem Eingang in die Betreuungsstelle: Zur Airport-"Besucherwelt" sind es 15 Minuten zu Fuß.

Foto: privat

Schwechat – Von gegenüber auf der Bundesstraße nimmt sich die Betreuungsstelle Schwechat unauffällig aus: zwei nebeneinanderstehende Containerreihen, zum Teil zweistöckig, in hellem Grau. Aus größerer Nähe ist der mehr als mannshohe Zaun rund um das Areal zu erkennen. Das Tor ist nicht verschlossen: Die Ausländer, die hier, im Gewerbegebiet des Flughafens, leben, sind befugt, die Betreuungsstelle zu verlassen.

Doch lohnende Ziele in der Nähe gibt es für sie kaum. Die nächste Einkaufs- und Einkehrmöglichkeit ist der Billa-Supermarkt am Airport, fußläufig in 15 Minuten zu erreichen. Für die "Besucherwelt am Flughafen" macht ein Großplakat auf einem hohen Mast unmittelbar neben dem Zaun Werbung.

Betreut durch Firma ORS

Bis Ende Oktober wohnten hier unter der Ägide des Roten Kreuzes Asylwerber mit der Aussicht, in Österreich Schutz gewährt zu bekommen. Dann wurde das Henry-Dunant-Grundversorgungsquartier aufgelöst. Nun dienen die einfachen Unterkünfte Ausländern als Durchgangsstation vor der Wiederausreise: als Rückkehrzentrum. Die Betreuung hat die kommerziell ausgerichtete Firma ORS übernommen.

Seit 2. Jänner lebt auch die tschetschenische Familie Tikaev in einem der Container, in einem mit Stockbetten, Spinden, Sesseln und einem kleinen Tisch ausgestatteten Raum: Vater Roman (49), Mutter Gulzara (40) sowie die vier Kinder Amira (11), Alikhan (12), Amirkhan (14) und Arina (16).

Bei Übertretung Schubhaft

Eine Wohnsitzauflage, wie sie aufgrund der Asylnovelle 2017 ausgesprochen werden kann, ließ ihnen keine andere Wahl, als ihre Bleibe in einem Wiener Volkshilfeheim zu verlassen. Im Weigerungsfall hätten sie Schubhaft und bis zu 15.000 Euro Geldstrafe zu vergegenwärtigen gehabt.

Laut Christian Schmaus, dem Anwalt der Familie, kam der diesbezügliche Mandatsbescheid überraschend. Die seit über sechs Jahren in Österreich lebenden Tikaevs haben noch einen Bleiberechtsantrag laufen. Er wurde nach der rechtskräftigen Asylablehnung 2016 eingebracht, wegen hervorragender Integration: Der Vater beherrscht Deutsch auf Niveau B2, die Kinder besuchen in Wien Schulen mit großem Erfolg.

Sie sprechen Wienerisch, können Russisch weder Schreiben noch Lesen. Doch das Bleiberechtsverfahren hemmt eine Ausweisung nicht, auch wenn deren Beschluss Jahre zurückliegt: Die Übersiedlung ins Rückkehrzentrum ist rechtmäßig.

"Mir bricht das Herz"

Für die Kinder käme sie einer Existenzvernichtung gleich, meint Ilse Schindler, eine pensionierte Lehrerbildnerin, die die Familie seit Jahren unterstützt. "Mir bricht das Herz, wenn ich daran denke, dass hier vier junge Menschen, von denen Österreich profitieren würde, ins Nichts geschickt werden sollen", sagt sie.

Vor den Weihnachtsferien hatten sich die Kinder von ihren Klassenkameraden für zwei Wochen verabschiedet. Nun könnte ein Abschied für immer daraus werden. Ihre in Wien befindlichen Schulen nämlich dürfen sie schon jetzt nicht mehr besuchen: Mit der Wohnsitzauflage ist eine Gebietsbeschränkung auf den Bezirk Schwechat verbunden, bei Übertretung drohen Geldstrafen. (Irene Brickner, 17.1.2018)