Bild nicht mehr verfügbar.

Kehraus bei der CIA: Ein Ex-Agent des US-Geheimdienstes wurde Anfang der Woche verhaftet.

Foto: AP Photo/J. Scott Applewhite

Der genaue Ort des Zusammentreffens ist bis heute unbekannt: Irgendwo im Norden des US-Bundesstaates Virginia trafen Mitarbeiter der Bundespolizei FBI und des Auslandsgeheimdienstes CIA zusammen – nur wenige in den eigenen Reihen wussten von dem Büro und den Treffen.

Der Grund für das Zusammenkommen ist der möglicherweise größte Spionageskandal der USA in den vergangenen 20 Jahren: Seit 2010 verlor die CIA Monat für Monat wichtige Informanten innerhalb Chinas. Erst langsam realisierte man im US-Geheimdienst, dass man in China ein Problem hat. Ab dem Jahr 2011, so berichtete die "New York Times", erkannte man, dass etwas im Spionagenetzwerk, das bis dahin so verlässlich Informationen aus China geliefert hatte, nicht stimmte.

Operation "Honey Badger"

Rund 20 chinesische Informanten der CIA wurden ab 2010 festgenommen oder getötet. Warum, ist bis heute nicht ganz klar. Die Ermittler der Operation "Honey Badger" ließen keinen Stein auf dem anderen: Beinahe jeder Mitarbeiter der US-Botschaft in China wurde überprüft, ebenso standen die Verschlüsselungsmethoden der US-Geheimdienste auf dem Prüfstand – all das geschah, während die CIA weiter wichtige Quellen verlor.

Aber Anfang der Woche wurde ein Hauptverdächtiger bei seiner Einreise in die USA festgenommen. Der 53-jährige Jerry Chun Shing Lee wurde wegen des unrechtmäßigen Besitzes von geheimen Unterlagen angeklagt.

Seine Karriere war bis dahin makellos: Nach vier Jahren bei der US-Armee studierte Lee an der Hawaii Pacific University, wo er 1992 graduierte. 1994 begann er für die CIA zu arbeiten. Laut "New York Times" war er von 1999 bis 2002 in Tokio stationiert, außerdem habe er für die Ostasien-Abteilung in der CIA-Zentrale in Langley sowie in der CIA-Residentur in Peking gearbeitet, bevor er den Geheimdienst 2007 verließ und sich in Hongkong niederließ.

Handgeschriebene Notizen

Obwohl Lee zum Zeitpunkt des Verschwindens zahlreicher Agenten nicht mehr bei der CIA arbeitete, fanden die Ermittler heraus, dass er viele der Namen der Verschwundenen, Verhafteten oder Getöteten kannte. Als er 2012 für kurze Zeit in die USA reiste, durchsuchten Ermittler sein Hotelzimmer und fanden zwei kleine Bücher mit handgeschriebenen Notizen, die geheimes Material enthielten, wie aus den Gerichtsunterlagen hervorgeht. In den Aufzeichnungen standen demnach etwa die richtigen Namen und Telefonnummern von Informanten und verdeckten Mitarbeitern der CIA sowie die Orte geheimer Einrichtungen.

Die handgeschriebenen Informationen stimmen mit jenen Dokumenten überein, die Lee während seiner Zeit bei der CIA verfasst hat. Im Visier der Fahnder war Lee offenbar schon länger. Bereits 2013 befragten ihn Ermittler, beließen ihn aber auf freiem Fuß – offensichtlich, um mehr belastende Beweise gegen ihn zu finden.

Keine Anklage wegen Spionage

Warum nun gegen Lee nicht wegen Spionage Anklage erhoben wurde, sondern nur wegen unrechtmäßigen Besitzes von geheimen Unterlagen, bleibt genauso ein Mysterium wie viele andere Details in dem Spionageskandal. Denn trotz Festnahme bleibt weiter unklar, ob er der einzige Grund für den Skandal in der CIA war. (stb, 18.1.2018)