Macron und May in Sandhurst.

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Als im Jahr 1077 der Teppich von Bayeux entstand, war von britisch-französischer Militärzusammenarbeit noch keine Rede.

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Hilfe bei Militäreinsätzen und in der Flüchtlingskrise, vielfältiger kultureller Austausch – in betont herzlicher Atmosphäre und mit gegenseitigen Versprechen noch engerer Zusammenarbeit haben am Donnerstag die französischen und britischen Regierungen den Schulterschluss geprobt. Zum Besuch in der berühmten Militärakademie von Sandhurst hatte Präsident Emmanuel Macron nicht nur die wichtigsten Minister, sondern auch die Chefs seiner Geheimdienste mitgebracht. "Unsere starke Beziehung ist sowohl im Interesse unserer beiden Länder wie auch Europas", sagte Premierministerin Theresa May.

Bereits vorab hatte Macron seine Gastgeber mit der Zusage entzückt, sein Land werde erstmals den berühmten Bildteppich von Bayeux an Großbritannien ausleihen. Die 68 Meter lange und 52 Zentimeter hohe Stickarbeit aus dem Hochmittelalter zeigt die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm im Jahr 1066. Eifrig diskutierten britische Medien darüber, welches Kunstwerk die Insel umgekehrt über den Kanal schicken könne.

Millionen für Grenzsicherung

May hat auf jeden Fall einen Beitrag von 44,5 Millionen Pfund (50,4 Millionen Euro) für die Grenzsicherung im nordfranzösischen Hafen Calais zugesichert. Dort haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder Tausende von Flüchtlingen versammelt, um auf illegalem Weg nach Großbritannien zu kommen. Im vergangenen Jahr wurde ihre Zahl auf bis zu 10.000 geschätzt, derzeit halten sich rund 500 Menschen dort auf. Macron hatte die Region zu Wochenbeginn besucht und mehr Staatshilfe zugesagt.

Die demonstrative Anwesenheit der Geheimdienstchefs beider Seiten verweist auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung. Diesem Ziel dient auch die Entsendung britischer Chinook-Hubschrauber für die von Frankreich angeführte Militäroperation in Mali. Umgekehrt will sich die zweitwichtigste Militärmacht Europas im kommenden Jahr am britischen Nato-Einsatz in Estland beteiligen.

In Großbritannien gilt die Zusammenarbeit mit dem jungen Präsidenten als extrem wichtig, zumal in Brexit-Zeiten. Konzentrierte sich Mays Vorgänger David Cameron noch gänzlich auf sein Verhältnis zu Europas größtem Land, wird Berlin derzeit auf der Insel als weniger wichtig eingestuft, nicht zuletzt wegen der schweren Wahlniederlage für Angela Merkels große Koalition und der schwierigen Regierungsbildung.

Brexit-Wunschvorstellung

Dem überzeugten Proeuropäer Macron wird nachgesagt, er habe wenig übrig für Großbritanniens Wunschvorstellung, nach dem EU-Austritt praktisch unveränderte Handelsbeziehungen mit dem Kontinent zu genießen. Immerhin hatte der damalige Präsidentschaftskandidat dem Brexit-Königreich die Zukunft als "eine Art Guernsey" vorhergesagt – die Insel werde zu einer größeren Ausgabe des weltpolitisch kaum relevanten Offshore-Finanzzentrums vor der Küste Frankreichs verkommen.

May verspricht sich keine Wohltaten, sondern ein pragmatisches Interesse an zukünftiger enger Zusammenarbeit. Misstrauisch beäugt wird hingegen das deklarierte Interesse Frankreichs daran, möglichst viele seiner Bürger in die Heimat zurückzuholen, nicht zuletzt die Spezialisten der Finanzbranche. London ist der Bevölkerungszahl nach die sechstgrößte Stadt Frankreichs, das Volumen des gegenseitigen Handels wird auf 80 Milliarden Euro geschätzt. (Sebastian Borger, 18.1.2018)