Seit der österreichischen Politik die Vernunft ausgetrieben wird, verdichtet sich die Konzentration auf die Philosophie. Mag sein, dass die schon länger währende existenzphilosophische Krise der SPÖ den Boden dafür aufbereitet hat. Statt einmal gründlich dem Unterschied zwischen dem Sein und dem Seienden, und was davon nun das Bewusstsein bestimmt, nachzugrübeln, eröffnete sie durch Anbiederung an die FPÖ einem Herbert Kickl die Chance, sich als Philosoph zu profilieren, der sich laut "Krone" an Platon abgearbeitet hat. Das würde jedenfalls den Hang zu erkenntnisfördernden Bierzeltsymposien erklären. Ein unvoreingenommener Beobachter hätte eher auf Friedrich Nietzsche getippt, auch wenn es in Kickls Fall zur blonden Bestie noch eines kleinen Upgradings bedürfte. Aber als freiheitlicher Übermensch geht er problemlos durch – wenn man sich den Rest der Partei ansieht. Auch Martin Heidegger käme als Vorbild noch infrage, der war schließlich auch in einer Konzentrationspartei.

Philosophisch aktiv, wenn auch ohne Berufung auf einige Semester einschlägigen Studiums, das ja noch keinen Philosophen macht, ist auch Strache mit seiner Seelenwanderungslehre. Er hält sich für einen wiedergeborenen Kreisky, steht damit aber in schwerer Konkurrenz zu seiner Außenministerin. Die Fähigkeit, in zwei Existenzen gleichzeitig zu schlüpfen, wäre Kreisky zuzutrauen, bei deren Auswahl dürfte man ihm aber mehr Geschmack zutrauen. Vermutlich wartet er immer noch darauf, ob nicht doch jemand in der SPÖ Bedarf anmeldet. Was den Finanzminister betrifft, ist sein Bekenntnis zu Seneca naheliegend. Wer die Einsparung von 2,5 Milliarden Euro bei gleichzeitiger Steuersenkung verspricht, hat als Stoiker leicht lachen, muss er doch nicht befürchten, im Fall des Misslingens vom Bundeskanzler zu einem ähnlichen Ende genötigt zu werden, wie Nero es seinem Idol nahelegte. Obwohl das zu ausgeglichenen Budgets sicher mehr beitragen könnte als deren Festschreibung in der Verfassung.

Der Bundeskanzler wiederum hat sich einer aus der Mode gekommenen Philosophie des Als-ob verschrieben, indem er ständig an seinen Taten gemessen werden will. Gemeint ist offenbar: und nicht an seiner Erscheinung, die doch sicher mehr zur Beförderung in das Kanzleramt beigetragen hat als noch nicht getane und für immer ungetan bleibende Taten. Auch bei seinen Wallfahrten in die Gnadenorte Paris und Berlin wollte er an seinen Taten gemessen werden. Die einzige Gnade, die er dort erfuhr, war die Verkehrung seiner Bitte in die Drohung, das werde man tatsächlich tun, was von ihm so dargestellt wurde, als ob er die Welt von sich und der Tat überzeugt hätte, die solche Wallfahrten erforderlich machen – die Koalition mit den Freiheitlichen.

Bei seinen weniger philosophisch gesinnten Parteifreunden in den Bundesländern scheint er mit der Forderung, ihn an seinen Taten zu messen, zunächst einmal abgeblitzt zu sein. Und schon gar nicht wollen sie sich für die Konzentrationsideen des Koalitionspartners erwärmen. Doch ein wahrer Philosoph behält die Konzentration. Warum soll es Durchschummlern besser gehen als Asylwerbern? (Günter Traxler, 18.1.2018)