Donald Trump kann zufrieden sein. Ein Jahr nach seiner Angelobung stehen er und seine Präsidentschaft besser da, als es viele erwartet hatten. Erstens sitzt er immer noch im Weißen Haus, ist weder angeklagt noch abgesetzt. Mit der Steuerreform hat er ein großes Gesetzesvorhaben durchgesetzt, durch Erlasse und administrative Entscheidungen seiner Ministerien zahlreiche Entscheidungen seines Vorgängers Barack Obama rückgängig gemacht und die Gesundheitsreform schrittweise demontiert. Er setzt reaktionäre Richter auf allen Ebenen ein und kann damit die Justiz auf Jahre prägen. Seine Umfragewerte sind stabil, eine starke Minderheit hält weiterhin zu ihm.

Die Börse ist im Höhenrausch, und auch die Konjunktur läuft blendend. US-Konzerne verkünden riesige Investitionen oder versprechen ihren Mitarbeitern Gehaltserhöhungen. Das ist, so twittert Trump es täglich, der Erfolg seiner Politik. Wer dies, wie der Großteil der Mainstreammedien, nicht anerkennt, ist Verursacher oder Opfer von "Fake-News".

Dass das weltweite Ansehen der USA an einem Tiefpunkt angelangt ist, die Supermacht global an Einfluss verliert, Trump historisch schlechte Beliebtheitswerte hat, er sich mit seinen Beratern und Parteifreunden ständig zerkracht, die Regierung auf einen "Shutdown" zusteuert, bei dem keine Gehälter mehr bezahlt werden können, und der Präsident nicht erst seit Michael Wolffs Enthüllungsbuch "Fire and Fury" von der Nation als tragische Figur mit einem unfähigen Stab wahrgenommen wird: All das wird in Trumps Fox-News-und-Twitter-Universum ausgeblendet. Diese Präsidentschaft existiert in zwei völlig getrennten Welten.

Nation rückt nach links

Aber wo stehen die USA und die Welt nach einem Jahr Trump wirklich? Die Erwartungen einer populistischen Revolution haben sich nicht erfüllt, der von Steve Bannon angefeuerte Nationalismus hat an Kraft verloren. Das sollte viele seiner Wähler enttäuschen, die Verbündeten hingegen beruhigen. Bei allem Eigensinn regiert Trump wie ein typischer, extrem rechter Republikaner.

Doch diese Politik wird von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Das ist – neben Trumps Unbeliebtheit – der Hauptgrund für die zahlreichen republikanischen Schlappen in Nachwahlen. Genauso wie acht Jahre Obama-Regierung die konservativen Kräfte im Land mobilisiert haben, rückt die Nation nun nach links. Wenn sich die Stimmung bis November nicht dreht, etwa weil die Wirtschaft noch stärker wächst, droht den demoralisierten Republikanern bei den Kongresswahlen eine schwere Niederlage mit demokratischen Mehrheiten womöglich in beiden Kammern. Danach wäre Washington politisch völlig gelähmt.

Wie Trump mit einem solchen Rückschlag emotional umgehen wird, ist eines der großen Fragezeichen für dieses Jahr. Der zweite Unsicherheitsfaktor ist die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller, der Trumps engstem Berater- und Familienkreis immer näher kommt. Und schließlich hat der Präsident noch keine ernste außen- oder innenpolitische Krise bewältigen müssen. Dass er einen solchen Test besteht, bezweifeln auch seine Freunde.

Die Trump-Show bleibt eine Farce. Seine Unfähigkeit ist das größte Risiko – und der beste Schutz vor konsequenter Umsetzung seiner Politik. Die Tragödien, die ein so unqualifizierter Präsident auslösen kann, sind der Welt bisher erspart geblieben. Doch es ist erst ein Jahr vorbei. (Eric Frey, 18.1.2018)