Wien – Die Rechercheplattform "Dossier" hat ein Auge auf die rege Werbetätigkeit von Wiener Wohnbaustadträten, insbesondere auf dem Boulevard. Nach Werner Faymanns mit den Wiener Gratiszeitungen wachsenden Werbebudgets als Stadtrat widmet sie sich nun Faymanns Nachfolger Ludwig, mittlerweile Kandidat für die SPÖ-Führung in Wien und den Job des Bürgermeisters.

Erkenntnis der Freitag veröffentlichten Recherchen: Der die "Krone" und "Österreich" besonders begeisternde Kandidat für die Wahl des Wiener SPÖ-Chefs am 27. Jänner hat budgetär gegenüber Faymann noch zugelegt.

Am 27. Jänner stimmen die Delegierten über den nächsten Wiener SPÖ-Chef ab. Die Kandidaten: Michael Ludwig (links) und Andreas Schieder.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

2004, als Wolfgang Jansky vom Pressesprecher Faymanns zum Gründer und Geschäftsführer der Gratiszeitung "Heute" wurde, plante Stadtrat Faymann laut "Dossier" im Budget seiner Magistratsabteilungen 400.000 Euro für Werbung ein. Tatsächlich wurden daraus in dem Jahr rund 2,5 Millionen Euro, klaubte "Dossier" aus Budgets und Rechenschaftsberichten der Stadt heraus. 2005 waren es bereits 3,7 Millionen Euro.

Als Ludwig das Amt 2007 übernahm, pendelten sich die Ausgaben zunächst bei etwas mehr als drei Millionen Euro ein, berichtet "Dossier". 2012 aber stiegen die Werbeausgaben auf 4,5 Millionen Euro, im Gemeinderatswahljahr 2015 auf fast sechs Millionen Euro. 2016 wurden es laut Rechenschaftsbericht 5.114.408,75 Euro.

Information vs. Bauaufsicht

"Entgelte für laufende Information über geförderten Wohnbau" der für Wohnbauförderung und wohnrechtliche Schlichtung zuständigen Magistratsabteilung 50 werden – laut Ludwigs Sprecher Hanno Csisinko – zum Teil für Werbung verwendet. Sie gehören ebenso zum MA-50-Budgetposten "Entgelte für sonstige Leistungen" wie "Entgelte für Leistungen der Bauaufsichtsorgane".

Die Ausgaben für Bauaufsicht sind laut "Dossier" seit 2012 stetig und um insgesamt mehr als 40 Prozent zurückgegangen, während die Informationsausgaben bis auf den Knick 2015 zulegten. Während das Infobudget wiederholt überschritten wurde, sei jenes für Bauaufsicht unter den Ansätzen geblieben. Die Rechercheplattform erklärt das als möglichen Versuch, den "sonstigen" Budgetposten unauffällig im Budget zu halten.

"Dossier" verweist in der Story auch auf massive Kritik des Wiener Stadtrechnungshofs 2015 am – zu Ludwig ressortierenden – Wohnfonds Wien. Der Fonds ist für die Aufsicht bei städtischen Sanierungen zuständig. Bei Baustellenbesuchen stieß der Stadtrechnungshof auf "zahlreiche, teils nicht mehr behebbare Baumängel". Die Empfehlung der Prüfer: "In Anbetracht der Höhe der vom Land Wien eingesetzten Förderungsmittel" solle man "Maßnahmen zur Hebung der Ausführungsqualität von Wohnhaussanierungen" setzen, zitiert die Rechercheplattform.

Der Wohnfonds erklärt den Rückgang der eingesetzten Mittel so: "Die Höhe der Prüfgebühren ist von der Anzahl der eingereichten und förderbaren Sanierungsprojekte bzw. deren Bauvolumina abhängig. Da in den letzten Jahren ein Rückgang der Anträge zu verzeichnen ist, haben sich auch die Prüfgebühren reduziert."

"Natürlich KEIN Konnex"

Ludwigs Sprecher Csisinko weist Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Informationsbudgets und der Bauaufsicht gegenüber "Dossier" und STANDARD zurück: "Die Budgetpositionen 'Entgelte für Leistungen der Bauaufsichtsorgane' und 'Entgelte für die laufende Information über den geförderten Wohnbau' stehen natürlich in KEINEM Konnex."

Csisinko möchte in seiner Stellungnahme auf "Dossier"-Fragen "klarstellen, dass Herr Stadtrat über keinerlei Werbebudget verfügt". Er erklärt im nächsten Absatz: "Die von Ihnen angeführte Position 1/4810/728013 'Entgelte für laufende Information über geförderten Wohnbau' umfasst sämtliche Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit. Darunter fallen Informationsmaterialien, Exkursionen von Interessierten, Messeauftritte und auch Kommunikationsmaßnahmen im Sinne des Medientransparenzgesetzes." Die Budgetposition gehört – siehe oben – zur MA 50 Wohnbau

Ludwigs Sprecher betont, dass für die Buchung von Werbung die MA 53 zuständig ist – der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (PID).

Kein Budget und doch eines

PID-Chef Paul Weis klärt auf STANDARD-Anfrage, wie ein Stadtrat über keine Werbebudgets verfügen kann, wenn doch eine ihm zugeordnete Magistratsabteilung ein solches Budget hat: "Stadträtinnen und Stadträte haben kein 'eigenes Kommunikationsbudget'. Aufgrund der Budgetsystematik besteht die Möglichkeit, dass Magistratsabteilungen (die einem Ressort zuzurechnen sind, dem wiederum ein Stadtrat politisch vorsteht) aufgrund eines Kommunikationsbedarfs Budget im Voranschlag zur Verfügung steht bzw. projektbezogen beantragt werden kann."

Auf Nachfrage erklärt Weis: "Projektbezogen gibt es in einigen Magistratsabteilungen der Stadt Wien (aller Ressorts) Budgets für Öffentlichkeitsarbeit (wobei Öffentlichkeitsarbeit Veranstaltungen, Produktion von Publikationen etc. umfasst)."

"Und wer entscheidet nun über die Vergabe dieser Budgets der Ressorts, wenn der PID für sie bucht?", wollte DER STANDARD noch wissen. Weis: "Es ist die Aufgabe der MA 53 entsprechend der Kommunikationsinhalte, der Kommunikationsziele und der sich daraus ergebenden Zielgruppe entsprechende Streupläne zu entwickeln und auch allfällig Vorschläge über die Höhe der – aus fachlicher Sicht – sinnvoll einzusetzenden Budgetmittel zu machen."

In der MA 53 ist Ulrike Marinoff seit langem für Media und Kooperationen zuständig. "Dossier" verweist auf Aussagen Marinoffs in einem Interview mit Journalismusstudenten der FH Wien der WKW. Zu Werbebuchungen und -budgets sagt sie: "Der Vorschlag kommt von uns. Die Entscheidung treffen nicht wir. Die politische Ebene trifft die Entscheidung." Und: "Es gibt Geschäftsgruppen, die nach wie vor ihr eigenes Budget haben."

Stadträte und stadteigene Firmen

Mit Stadträten zugeordneten Firmen sogar noch ein etwas größeres Budget. Wohnfonds Wien und Wohnservice Wien GmbH warben etwa laut Medientransparenzdaten im – gemeinhin werbeschwächeren – dritten Quartal 2017 für eine halbe Million.

Die Wiener Stadtwerke – Holding, Wien Energie, Wiener Linien – gaben in diesem Sommerquartal 2017 laut Medientransparenzdaten gut zwei Millionen Euro für Werbung aus. Sie ressortieren, wie etwa auch die werbefreudige MA 48, zum Ressort von Ulrike Sima, zuständig für Umwelt und Wiener Stadtwerke.

"Österreich" erbost

Der Umweltstadträtin Sima und der Finanzstadträtin* Renate Brauner sagte Wolfgang Fellners "Österreich" zuletzt einen "Inseraten-Skandal" nach. Allein von 1. bis 20. Dezember 2017 habe die Stadt Wien 47 Seiten in "Heute" geschaltet, während in dem Zeitraum in "Österreich", "Krone" und "Kurier" nur die "übliche" Menge von zwölf bis 17 Seiten gebucht wurde. Der Großteil, so "Österreich" damals, sei aus Simas und Brauners Einflussbereich gekommen. Fellners Zeitung vermutete einen Deal zugunsten von Ludwigs Gegenkandidat Andreas Schieder. "Heute" verneinte rundweg und erklärte den Umfang mit unterschiedlichen Reichweiten.

Foto: Oe24TV Screenshot "Fellner Live"

Bei "Österreich" interpretierte man die Buchungen intern auch als Antwort auf die Begeisterung in der Berichterstattung für Ludwig. Mögliche weitere Erklärung: der Umgang von "Österreich" mit SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern bei der Nationalratswahl.

Am 23. Dezember, als "Österreichs" Schelte bezüglich Buchungen in "Heute" erschien, erschien noch etwas Ungewöhnliches: Obwohl "Heute" gemeinhin nur Montag bis Freitag herauskommt, gab es an diesem Samstag eine eigene "Heute"-Ausgabe. Das mag an einer vielseitigen XXXLutz-Werbestrecke über dessen Räumungsverkauf gelegen sein. Oder auch an vier Werbeseiten der Wiener Linien plus einer Seite des Fonds Soziales Wien. Am großen Zugsunglück im Wohnort des Chefredakteurs. Oder an den doch noch rechtzeitig zu transportierenden Weihnachtswünschen von Kanzler und Vizekanzler.

"Natürlich nur Interesse an gut bezahlten Inseraten"

Auf Facebook schrieb der Wiener Landtagspräsident Harry Kopietz (SPÖ) Anfang Jänner bemerkenswert eindeutig über Massenblätter: "Nicht Boulevardzeitungen – die natürlich nur Interesse an gut bezahlten Inseraten haben – entscheiden, wer neuer SPÖ-Vorsitzender wird, sondern ausschließlich die Delegierten am Parteitag."

Die kritische SPÖ-Sektion 8 kritisiert schon lange die hohen Werbeaufwendungen der Stadt Wien, insbesondere in Boulevardmedien. Zur Werbetätigkeit der MA 50 sagt Lea Six von der Sektion 8: "Das Werbebedürfnis erschließt sich uns nicht. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem, es gibt jahrelange Wartelisten für Wohnungen."

Für Six liegt die Vermutung nahe, "dass Fellner fürchtet, dass sein Inseratenbudget geringer wird", sagt sie. "Unsinn", erwidert Fellner auf "Dossier"-Anfrage. "Die Berichterstattung von 'Österreich' erfolgt völlig unabhängig von Inseratenschaltungen oder wirtschaftlichen Interessen." Auch bei der "Kronen Zeitung" und der Gratiszeitung "Heute" verneine man jeglichen Zusammenhang.

PID-Budget gekürzt

Die Ausgaben des Presse- und Informationsdienstes der Stadt sind im Voranschlag für 2018 mit 40,2 Millionen um rund acht Millionen unter dem Vorjahr budgetiert. Die "Leistungsentgelte für Direktinformationen" wurden von 34,5 Millionen im Voranschlag 2017 auf 26,5 Millionen gekürzt. Die Grünen drängen nachdrücklich, die Werbebudgets der Stadt zu reduzieren. Wien ist der größte Bucher unter allen öffentlichen Stellen, die ihre Werbung laut Medientransparenzgesetz melden müssen. (fid, 19.1.2018)