Die SPÖ warnt vor "Massenzuwanderung", sie wirft der FPÖ vor, die "Arbeiter zu verraten", der ÖVP-Bundeskanzler unterstellt den Sozialdemokraten "Panikmache". Verkehrte Welt, könnte man meinen oder: Die SPÖ hat ihre Rolle in der Opposition noch nicht gefunden und macht jetzt auf "FPÖ light".

Beide Lesarten waren in den vergangenen Tagen zu finden, nachdem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher in drastischen Bildern die geplante Regionalisierung der Mängelberufliste gegeißelt und SPÖ-Chef Christian Kern im STANDARD und der ZiB 2 bekräftigt hatte, dass dann tatsächlich "150.000 Zuwanderer aus Osteuropa" ante portas stünden. Diese Zahl konnte freilich nicht einmal die Arbeiterkammer nachvollziehen. Sogar Kern-Biograf Robert Misik sprach von "grobem Unfug" und einer Tonalität, die "vollkommen daneben" sei.

Mit den eigenen Waffen schlagen

Freilich ist nicht nur die Tatsache "daneben", wie, sondern auch, dass die SPÖ vor zu vielen Ausländern warnt. Gerade die Forderung nach null Zuwanderung war bisher der Grund, warum sich die SPÖ so schwertut, Koalitionen mit den Freiheitlichen einzugehen. Nun, da man in Opposition ist, glaubt man wohl, man müsse die nunmehrige Regierungspartei mit ihren eigenen Waffen schlagen und noch populistischer und fremdenfeindlicher sein als die blauen Populismusaltmeister. Dazu kommt die Erkenntnis, dass Sebastian Kurz und die ÖVP ja auch mit rigiden Ansagen gegen Ausländer die letzte Wahl gewannen. Warum also sollten die Wähler nicht auch einen Schwenk der SPÖ in dieser Frage honorieren?

Die Überlegung ist unstimmig und parteitaktisch unsinnig. Wer sollte einer Partei, die seit Jahren in Ausländerfragen gespalten ist, einen solchen Schwenk abnehmen? Die Gewerkschaft war schon immer, aus Angst vor Lohndumping, gegen zu viel Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt. Die eher links, humanistisch und stark antifaschistisch orientierte Partei-Elite hatte stets die konträre Haltung. Für sie ist jegliche Annäherung an die FPÖ, sei sie rhetorisch oder inhaltlich, vollkommen inakzeptabel.

Im Trend

In ihrer Grundtendenz liegt die SPÖ mit der jüngsten Warnung vor Massenzuwanderung freilich im Trend der Zeit. Laut der aktuellen Arena-Analyse des Beratungsunternehmens Kovar & Partner ist eine Politik, die streng in wir und die anderen unterteilt, das, was alle Parteien machen (müssen), wenn sie derzeit Erfolg haben wollen. Das meinen zumindest die befragten Experten. Die westlichen Wohlstandsgesellschaften driften auseinander, auch durch den Druck, den Digitalisierung, Globalisierung und Migration erzeugen.

In der Logik österreichischer Politik heißt das: Wenn wir niemanden mehr ins Land hereinlassen, wird uns niemand unseren Wohlstand wegnehmen können. Das scheint zwar die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler derzeit zu glauben, ob sie es aber auch der SPÖ glauben, ist fraglich.

Der Soziologe Ralf Dahrendorf beschrieb vor mehr als zwanzig Jahren die Gleichzeitigkeit von Wohlstand, sozialem Zusammenhalt und Freiheit als "Quadratur des Kreises". Sei alles verwirklicht, erzeuge das neue Spannungen.

Parteien, die regieren und staatstragend sein wollen, wären gut beraten dagegenzuhalten, anstatt Spannungen zu verstärken. Sonst sind sie es am Ende selbst, die die Spaltung der Gesellschaft verantworten müssen. (Petra Stuiber, 19.1.2018)