Familie Tikaev, von links nach rechts: Amirkhan (14), Roman (49), Alikhan (12), Amina (11), Arina (16) und Mutter Gulzara (36). Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bietet für die Kinder täglichen Schultransport an

foto privat

Schwechat/Wien – Am Samstag um 15 Uhr riss der Kontakt von Unterstützern mit der tschetschenischen Familie Tikaev ab, die samt ihren vier Kindern seit 2. Jänner unter Abschiebedrohung in einem Containerzimmer in der Betreuungsstelle Schwechat lebte. Der Anrufversuch eines Familienmitglieds wurde unterbrochen, seither gibt es keine Verbindung mehr.

Der Anwalt der Familie, Christian Schmaus, hatte bis Samstagabend keinen diesbezüglichen Bescheid oder andere behördliche Benachrichtigungen erhalten.

Unklar ist, ob sich die Eltern und vier Kinder Tikaev in Schubhaft befinden. Die Polizei kann Personen mit einem Festnahmeauftrag bis zu 48 Stunden festhalten, bevor eine Verhaftung ausgesprochen wird. Viele Abschiebungen finden binnen dieser 48 Stunden statt.

Freiwillige Rückkehr abgelehnt

In den Tagen davor war in einer Reihe von Medien über die Lage Familie Tikaevs berichtet worden. Freitagabend hatte es etwa in der ORF- ZiB2 einen kurzen Beitrag gegeben. Die Familie selbst war Freitagmittag in der Betreuungsstelle Schwechat von zwei Mitarbeitern des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ) aufgesucht worden – mit der Frage, ob die Tikaevs bereit seien, aus Eigenem nach Russland zurückzukehren. Unter Hinweis auf den noch nicht entschiedenen Bleiberechtsantrag hatte der Vater, Roman Tikaev (49), dies abgelehnt.

Besagtes Bleiberechtsverfahren ist bis dato nicht beendet. Nach dem diesbezüglichen Antrag 2016 warteten die Tikaevs mehr als ein Jahr lang, ohne dass die Behörde einen erkennbaren Schritt unternommen hatte. Die erste diesbezügliche Einvernahme fand heuer am 3. Jänner statt. Da war die Familie bereits auf Basis eines Mandatsbescheids ins Rückkehrzentrum übersiedelt. "Mehr als ein Jahr ist eine sehr lange Zeit des Wartens und der Unsicherheit", kommentiert dies die Kinderrechtsexpertin bei der Asylkoordination, Katharina Glawischnig.

Behörden arbeiteten langsam

Auch das vorhergehende Asylverfahren der Familie – es begann 2011 und wurde 2015 negativ beschieden – zeichnete sich durch große Pausen aus. Die Verantwortung für die lange Dauer der Verfahren liege "klar im Bereich der Behörden und Gerichte", schreibt der Anwalt der Familie, Christian Schmaus, in einer am Freitag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingebrachten Stellungnahme.

Die Familie habe "nie einen Behördentermin versäumt und sich immer kooperativ gezeigt", widerspricht er im STANDARD-Gespräch der Sicht der Behörden. Die Anträge auf Bleiberecht wegen guter Integration hält er aufrecht.

Vassilakou wollte sich einsetzen

Am Freitag hatte Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou angekündigt, sich für die Familie einsetzen zu wollen. Die Schwechater Containersiedlung sei "ein trostloser Ort, für Kinder absolut ungeeignet – auch wenn sich das Personal der Betreuungsfirma ORS nach Kräften bemüht. Statt in die Schule zu gehen, haben die Kinder nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher zu sitzen", sagt Vassilakou – und kündigt im STANDARD rechtliche Schritte an.

"Ich werde bei der zuständigen Kinder- und Jugendhilfe zeitnah eine Gefährdungsmeldung wegen Verletzung des Kindeswohls machen", sagte Vassilakou. Auch eine Anzeige erwog sie: Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erteilte Wohnsitzauflage, die mit einer Gebietsbeschränkung auf den Bezirk Schwechat verbunden ist, verunmöglicht den Kindern den Schulbesuch .

Ehrgeizige Schüler

Dabei sind diese allesamt ehrgeizige Schüler, der zwölfjährige Alikhan etwa ist Klassensprecher in der 2b der Sportmittelschule Pastorgasse, die 16-jährige Arina macht, ihrem langjährigen Berufswunsch folgend, eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.

Kritik an der Behandlung der Tikaevs kam am Freitag auch vom Wiener Jugendstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). "Jedes Kind hat grundlegende Rechte. Wenn Kinder wochenlang in einem Container leben müssen, ohne ihre Schulen besuchen zu können, läuft hier eindeutig etwas falsch", sagte er. (Irene Brickner, 20.1.2018)