Große Bühne für Thomas Dreßen (24) nach seinem Sieg auf der Streif. "Kitschiger geht's nimmer, unglaublich."

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Kitzbühel – Unverhofft kommt, wenn auch nicht unbedingt oft. Hat man im Deutschen Skiverband vor vier Jahren noch eine Auflösung der Speedabteilung wegen chronischer Erfolglosigkeit diskutiert, so beschäftigt man sich nun damit, wie mit der Erfolgsgeschichte umzugehen ist, die Thomas Dreßen mit seinem sensationellen Sieg am Samstag auf der Streif geschrieben hat.

"Wir haben einen Plan für alle Szenarien, die auf uns zukommen. Er weiß genau, was zu tun ist, das haben wir festgelegt. Du musst demütig und bescheiden bleiben, es kommen schnell andere Tage", sagte Cheftrainer Matthias Berthold, der 2014 übernahm und im Verband zunächst viele davon überzeugen musste, dass Siege bei den klassischen Abfahrtsrennen das Ziel für die deutsche Skifahrt bleiben sollten. Der Erfolg Dreßens auf den Tag genau 39 Jahre nach Sepp Ferstls Kitzbühel-Triumph gibt dem früheren ÖSV-Rennsportleiter, unter dessen Führung 2014 Hannes Reichelt die Kitzbühel-Abfahrt gewinnen konnte, recht.

Dreßen will nicht abheben

"Einfach nur geil. Es war immer ein Traum, einmal in Kitzbühel zu gewinnen. Es ist unglaublich", sagte Dreßen. Der 24-Jährige aus Mittenwald bei Garmisch-Partenkirchen will nach seinem Premierenerfolg im Weltcup, just auf der berühmtesten aller Rennstrecken, nicht abheben. Wohl wissend, dass er auch das Glück auf seiner Seite gehabt hatte. Artig bedankte sich Dreßen beim drittplatzierten Reichelt, der ihm die Startnummer 19 überlassen hatte. Mit ihr konnte Dreßen im Gegensatz zu vielen Favoriten bei Sonnenschein abfahren.

Reichelt, mit Startnummer eins ins Rennen gegangen, musste sich nur dem Deutschen und Weltmeister Beat Feuz aus der Schweiz geschlagen geben. Danach sagte er: "Was ist das für eine wilde Socke? Ich bin froh, dass ein Deutscher mal wieder Kitzbühel gewinnt, das ist unglaublich wichtig für unseren Sport."

Zolloberwachtmeister Dreßen besuchte die Skihauptschule Neustift, absolvierte danach das Skigymnasium Saalfelden und lebt mittlerweile mit seiner Freundin im Traunviertel. Sein Vater starb 2005 bei einem Seilbahnunglück in Sölden. Der Weltcuport sponsert ihn. Dreßen sorgte für den ersten Abfahrtssieg in der Königsdisziplin seit Max Rauffer 2004 in Gröden.

Der Erfolg in seiner erst dritten Weltcupsaison war auch insofern bemerkenswert, als er erst zum zweiten Mal beim Klassiker in Kitzbühel am Start stand. Bei seiner Premiere vor einem Jahr wurde er von der Streif abgeworfen. Er ist der erste Rennläufer seit Didier Cuche 1998, der sein erstes Weltcup-Rennen in Kitzbühel gewann. Zuvor zeigte er mit Platz drei in Beaver Creek und Rang fünf in Wengen auf.

Berthold: "Ein absolutes Highlight"

Der Erfolg war auch Balsam für den in der Vergangenheit vielgescholtenen deutschen Alpinchef Wolfgang Maier. "Wenn du das gewinnst, noch dazu als Deutscher, gibt es schon eine gewisse Erfüllung für vieles, was man tut." Auch Berthold wusste das Erreichte entsprechend einzuschätzen. "An das wird man sich ewig erinnern, ein absolutes Highlight", sagte der Vorarlberger, der für Kitzbühel vorgegeben hatte: "Cool bleiben, attackieren, aber nicht hasardieren."

Sepp Ferstl hielt erleichtert fest, nun habe sich der Mythos Ferstl und Streif endlich erledigt. "Fehler macht jeder, aber der Thomas hat heute keinen gemacht", sagte der Kitz-Sieger von 1978 und 1979.

ÖSV-Herrenchef Andreas Puelacher bilanzierte mit gemischten Gefühlen. Man steht diese Saison weiter ohne Abfahrtssieg da. "Wir haben eine hohe Qualität, aber es läuft noch nicht richtig." (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 21.1.2018)