Impressionen vom Life Ball: Angela Waidmann, Ines Schiller, Corinna Mühle, Alexander Hetterle (v. li.) im Vielfrontenkrieg der Mode.


Foto: Christian Brachwitz

Wien – Seit sich herumgesprochen hat, dass bei Elfriede Jelinek auch gelacht werden darf, genießen Aufführungen eine merkliche Vorschussakzeptanz. Die "Nestbeschmutzerin" von einst könnte tatsächlich noch jene "Blume im Knopfloch der Nation" werden, die sie selbst ausdrücklich und insbesondere seit ihrer Nobelpreiswürde nie werden wollte. Dass sich etwa ein ganzes Dorf auf die Beine macht, um Jelineks zentralen Österreichroman Die Kinder der Toten zu spielen, wie es eindrücklich beim Steirischen Herbst geschah, wäre vor zehn Jahren kaum denkbar gewesen.

Großen Zuspruch gab es nun auch für die österreichische Erstaufführung von Das Licht im Kasten in den Kammerspielen des Linzer Landestheaters, die Regisseurin Katka Schroth und ein famoses Ensemble bewerkstelligt haben. Zwischen Textgegenstand und Publikum besteht allerdings auch eine vergleichsweise unbelastete Verbindung. Der wie üblich im Modus einer polyfonen "An-Sprache" gehaltene Text setzt sich denn mit der Beziehung zwischen Mensch und Mode auseinander. Da hat ja jeder was zu klagen! Und bereuen!

Indes sollte man Jelineks komödiantischen Text, dem auch schon Oberflächlichkeit vorgeworfen wurde, nicht unterschätzen. Führt doch das Spiel entlang böswilliger Kontextverschiebungen und rotzfrech changierender Sprechsubjekte in nestroyhafte Abgründe. Immer wieder holt die Autorin der schwärzeste Humor ein, etwa wenn es um die "Tragfähigkeit" von Mode geht, die nicht mehr vorhanden sei, da diese "sogar schon bei den Bootsflüchtlingen" angekommen sei.

Publikumsbeschimpfung

Der wechselvolle Redestrom erstreckt sich vom Kreatürlichen des Individuums (Schönheit, Tod) über Umweltfragen, Konsum, Labelkrieg oder das Wirklichkeitsentschwinden bis hin zu den mörderischen Arbeitsbedingungen von Näherinnen in den Billiglohnländern, die wir bei jedem Einkauf billigend hinnehmen.

Schroth dirigiert das wunderbare Quasselquartett (Corinna Mühle, Ines Schiller, Angela Waidmann, Alexander Hetterle) durch Redeströme, die viele Gelegenheiten für eine Publikumsbeschimpfung offenbaren. So spielt Jelinek etwa mit der Kontextverschiebung von "Größe". Wenn es heißt, "Ihre Größe haben wir nicht!", so bezieht sich das frecherweise nicht nur auf die der Konfektion. Das Theatralische liegt also nicht im Dialog, sondern in den Redemanövern, den Assoziationsketten und den wenig vertrauenswürdigen Sprechsubjekten: Ist es das Autorinnen-Ich, eine Verkäuferin oder das Ich im Publikum?

Mode als Gefängnis

Die Schauspielerinnen in ihren Kunsthautanzügen und wechselnden außerformatigen "Kleidern" darüber (Kostüme: Sung-A Kim, Ruby Heimpel) bilden einen intensiven Motor der Verschleierung und werden mal flennend, mal wütend oder beleidigt zu wahren Satzkatapulten. Die denkwürdigste Mutation in dieser farbig-kaputten Laufstegwelt, die später ihren verzweifelten, unförmigen Backstageraum preisgibt, vollzieht ein Stromkabel aus dem Onlineshopping-Vorgang, das sich im nächsten Moment als Couturekleid einer japanischen Designerin entpuppt.

Das Licht im Kasten, eine Fortschreibung des Stücks Die Straße. Die Stadt. Der Überfall (2012), tritt auch jenem Feminismus nahe, der sich groß im Bekenner-T-Shirt postuliert, aber dann doch dem Diktat von Weiblichkeitsbildern der Werbung gehorcht. (Margarete Affenzeller, 22.1.2018)