Kurz bei Maischberger: beschwichtigen und provozieren.

Foto: Außenministerium /Dragan Tatic

Sebastian Kurz, dem laut manchen Medien vor kurzem noch ganz Berlin zu Füßen lag, hat bei Sandra Maischberger versucht, gute Stimmung für seine Koalition mit der FPÖ in Österreich zu machen.

Das war nicht leicht, Maischberger interessierte sich erwartbarerweise hartnäckig für die Frage, woher der ÖVP-Chef und Bundeskanzler die Gewissheit nimmt, die FPÖ nun endgültig in staatspolitisch verantwortungsvolle Bahnen gelenkt zu haben, und zeigte sich skeptisch, ob Kurz das denn überhaupt gelingen könne – Stichwort "Asylwerber entsprechend konzentriert an einem Ort halten" (Copyright FPÖ-Innenminister Herbert Kickl).

Geschmeidig

Kurz reagierte wohlüberlegt: Erst zeigte er, ganz europäischer Staatsmann, Verständnis für die Tatsache, "dass eine Regierung mit der FPÖ kritisch beobachtet wird". Danach verwies er auf das Verbotsgesetz, das es in Deutschland nicht gibt (unausgesprochener Subtext: "Da sind wir Österreicher besser als ihr Deutschen") Er "vergaß" dabei aber wohlweislich darauf hinzuweisen, dass es immer wieder Anzeigen gegen FPÖ-Mitglieder wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz gibt – und dass maßgebliche Spitzenfunktionäre dieser Partei, etwa Verkehrsminister Norbert Hofer, dieses Gesetz am liebsten abschaffen würden. Kurz zeigt sich geschmeidig, was die FPÖ angeht: Für ihn sei die Grenze das Strafgesetz, hatte er schon vor seinem Deutschland-Besuch im Kurier gesagt.

Der Beschwichtigung folgte auf den Fuß die Provokation. Er sei gegen jede Form der Hetze, sagte Kurz, gegen Ausländer, Minderheiten, auch jene, die gerade in Österreich "gegen Reiche" veranstaltet werde. Damit machte der Regierungschef gleich klar, wie er Kritik am Programm der türkis-blauen Regierung bewertet – und wie er jetzt und künftig damit umgehen wird.

Virale Reaktion

Womit der Kanzler wahrscheinlich nicht gerechnet hat: der viralen Reaktion im Netz darauf. Hunderte Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, sei es mit "Migrationshintergrund" oder nicht, sei es oft nur mit einem "ausländisch" klingenden Namen, berichten seither auf Twitter unter #reichenhetze, wie sich wirkliche Hetze im Alltag anfühlt: Wenn etwa eine afroamerikanische Frau auf der Straße angespuckt wird; wenn etwa der Fahrer des Rettungswagens absichtlich langsamer fährt, wenn er jemanden mit ausländischem Namen abholt; wenn die Bankkundin von einem Inländer bedient werden will, weil sie dem türkischstämmigen Angestellten misstraut; wenn die blonde Mutter mit den dunkelhäutigen Kindern auffällig scheel beäugt wird.

Die Erzählungen sind persönlich und beklemmend. Die Reaktionen derer, die den Kurs der Regierung unterstützen, sind abwertend und von Unverständnis geprägt: Man solle mit dem "Gejammer" aufhören, das "Geheule" führe zu nichts et cetera. Das passt in ein Weltbild, das Arbeitslosen grosso modo "Durchschummeln" unterstellt und Migranten vorwirft, sie kämen nur wegen des Geldes nach Österreich. So erzeugt und pflegt man Feindbilder, und alle, die mitmachen, sollten sich bewusst sein, dass es nicht viel braucht, um selbst zum Feindbild zu werden: eine Kündigung, eine schwere Krankheit – was Menschen eben so passieren kann.

Lügen und Lügner

Zur Feindbildpflege gehört im Übrigen auch – und das ist nur eine Nebenfront – der ÖVP-Bürgermeister von Kitzbühel, Klaus Winkler, der Recherchen von STANDARD, Ö1 und dossier.at über den Akt Toni Sailer einfach, wider alle faktischen Belege, als "Fake-News" bezeichnet. Medien, die unbequeme Tatsachen berichten, als Lügner zu bezeichnen – das ist Trump-like.

Wenn dieses Verständnis von Demokratie und Kontrolle auch in Österreich einreißt, ist es schlecht bestellt um das Land. Die Spaltung der Gesellschaft schreitet derweil munter voran, und die Regierung tut so, als ginge sie das alles nichts an. (Petra Stuiber, 22.1.2018)