Mit der W650 war Kawasaki 1999 quasi der Vorreiter, was den Bau von Retrobikes angingt – wenn wir jetzt einmal Ural und Dnepr streichen, weil die kurzerhand die Entwicklung von 30 Jahren ausgelassen haben. Die W650 lehnte sich optisch an Motorräder an, wie sie in den 1960er-Jahren in England entstanden, verbaute dazu aber eine Scheibenbremse vorne, die dann jedoch im Retrogedanken eh ähnlich einer alten Trommel bremste. Herzstück des Motorrads war ein 50 PS starker Zweizylinder mit Königswelle. Schwachstellen waren der weiche Rahmen, das buttrige Fahrwerk und eben die Bremsen. Zumindest wenn man das Teil halbwegs beherzt bewegen wollte. Rutscher vorn, Rutscher hinten, das ging alles, Rutschen am Knie aber nur direkt nach einer Kündigung und der gleich darauffolgenden Diagnose einer unheilbaren Krankheit am Weg zum Unterschreiben der Scheidungspapiere.

Die W650 und später W800 von Kawasaki mit dem Königswellenmotor.
Foto: Kawasaki

Die W650 war jetzt weder in der ersten Generation noch in den folgenden ein Kassenschlager, obwohl sie wirklich lustig zum Cruisen war und der Königswellenmotor schon eine schöne Besonderheit ist. Da machte Triumph mit seiner Bonneville mehr Reibach.

BMW und Yamaha im Windschatten

Zum Höhenflug setzte die Retrowelle dann aber an, als BMW sich 2013 überlegte, die alten GS-Motoren, die im Regal verstaubten, noch schnell auf den Markt zu schmeißen, bevor sie neue Abgasvorschriften dazu zwingen würden, sie als Untergestell von Glastischen zu verscherbeln. An den Delfinen hatten wir uns eh schon satt gesehen – so gesehen wäre das durchaus ein Geschäftsmodell für Billigmöbeldiscounter gewesen.

Die R nineT war und ist ein großer Erfolg für BMW.
Foto: BMW

BMW erwartete den Erfolg, den die R nineT einfuhr, so nicht. Ganz im Gegenteil war man verwundert darüber, dass der alte Motor – der letzte luftgekühlte Boxer mit 1.200 Kubikzentimetern – so viele Fans hat, auch wenn man inzwischen, wassermoderiert, ein paar PS mehr aus dem Aggregat kitzeln konnte.

Yamaha surft inzwischen auch auf der Histo-Welle und hat einige Heritage-Modelle im Programm, etwa die XSR900.
Foto: Yamaha

Vor kurzem griff dann auch Yamaha mit den Heritage-Modellen wie der XSR900 nach seinem Stück vom Retrokuchen. Jetzt ist Kawasaki auch wieder dabei und bringt die Z900 RS. Dabei fällt durch die Bank auf, dass sich der Stil der Retrobikes komplett verändert hat. Man setzt nicht mehr alles daran, so nah wie möglich am historischen Vorbild zu sein, sondern versucht unendlich viel Performance in gelungen gesetzte Designzitate zu stopfen.

Die Z900 RS gibt es ganz normal nackert, aber auch als Café-Version mit Lampenschirm.
Foto: Kawasaki

Im Fall der Z900 RS heißt das: Auf Basis der Z900 hat Kawasaki mit zierlichen Änderungen ein wunderschönes Motorrad gebaut, das an die Z1 von 1972 erinnert. Der Rahmen ist also modern und steif, und auch der Motor stammt aus der Z900, wurde aber leicht modifiziert. Er hat 14 PS weniger, weil die 111 PS dafür aber früher anliegen und sich beim Drehmoment (98,5 Nm) kaum was verändert hat, spricht er sogar kerniger an als das stärkere Original.

Klassische runde Scheinwerfer treffen auf moderne Technik.
Foto: Kawasaki

Unter dem Rundscheinwerfer vorne wie unter dem ovalen Hecklicht steckt modernste Technik, nur halt im klassischen Design. Die Rundinstrumente sind analog, dazwischen ist recht unauffällig ein Display versteckt, das alle Stückerln spielt. Die Bremserei nagt am Zahn der Zeit und damit als Vier-Kolben-Zange in eine Doppelscheibe vorne und als Ein-Kolben-Sattel in eine 250er-Scheibe hinten. ABS ist inzwischen ohnedies gesetzlich verpflichtend, die Traktionskontrolle verbaut Kawasaki gleich serienmäßig, wie auch die bessere Gabel – eine 41-Millimeter-Upside-down-Gabel, die in Druck- und Zugstufe wie in der Federbasis verstellbar ist.

Das Mäusekino ist klassisch und doch modern.
Foto: Kawasaki

Ein schönes Zitat der guten alten Zeit sind die Kühlrippen am Motor. Die sind aber eher Zierstreifen, denn gekühlt wird natürlich flüssig. Sehr gelungen sind den Designern auch der Tank, der 17 Liter fasst, die Sitzbank und das Bürzel danach.

Im Militärlook gabert es die Kawa auch.
Foto: Kawasaki

Ins Moderne gehen die Leichtmetallfelgen mit den zierlichen Sprießeln und die klaren Blinker, die optisch fast verschwinden und nicht, wie seinerzeit üblich, als riesige orange Ohren in die Kurven horchen. Dort würden sie jetzt aber das Knie schleifen hören können. Weil nun gibt es zur feinen Optik eben ein echtes Motorrad mit einem richtigen Fahrwerk, und sogar bremsen kann die Fuhre. Die Ausreden sind also gestrichen. Andrucken, meine Damen und Herrn, und niederknien. Geht schon. Ab 14.499 Euro in Schwarz, ab 14.699 im militärischen Mattgrün – nein, das machen wir nicht – und ab 14.899 in Braun. (Guido Gluschitsch, 24.1.2018)

Die 4-in-1-Anlage passt ganz gut, auch wenn Traditionalisten eine 4-in-4-Fächerbläserei lieber wäre.
Foto: Kawasaki